Seite:OAMaulbronn0138.jpg

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selbst bildet für sich ein durch den breiten Triumphbogen von der Vierung getrenntes, großes, fast quadratisches Rechteck. Der Lettner liegt gerade in der Mitte zwischen der Westwand und der östlichen Querschiffwand. Bei den andern hiesigen Klosterbauten kommen auch auffallend einfache Zahlenverhältnisse vor.

Gehen wir noch mehr ins Einzelne.

Die Pfeiler sind einfach rechteckig und nur an der Innenseite mit einer Halbsäule besetzt, diese entwickelt sich mit einem Eckknollenfüßchen aus der hohen attischen Basis der Pfeiler und trägt in der Kämpferhöhe derselben einen scharf umränderten Würfelknauf, von dem aus die Form der Halbsäule als Wulst in der Arkadenleibung sich umherschwingt. Die Kapitelle der Pfeiler, ganz wie die der Wandpfeiler außen an der Ostseite gebildet, sind aus Welle und Wulst zusammengesetzt und von ihnen steigt, die tiefen Arkadenbögen rechteckig umrahmend, ein wohlprofilirtes Leistenwerk auf. An der gegen die Nebenschiffe gekehrten Seite der Pfeiler laufen halbachteckige, im Jahr 1424 angesetzte Dienste, bei denen sich der damalige Baumeister dem Stile jener romanischen Halbsäulen anschloß; er versah z. B. ihre Füßchen auch mit Eckknollen, behandelte diese aber, ganz bezeichnend für die Zeit, höchst frei und abweichend, nämlich als schwungvoll gehaltene, feine, tiefunterschaffte Darstellungen von Fröschen, Krebsen, Skorpionen, Blättern, Zweigen und Früchten. Diesen Diensten entsprechen an den Umfassungswänden der beiden Seitenschiffe hübsche Konsolen, und darüber spannen sich gothische Rippenkreuzgewölbe mit Schlußsteinen; am bemerkenswerthesten ist wohl die erste Konsole des linken Seitenschiffes, darstellend die treffliche vorkauernde Gestalt eines bärtigen Mannes, eines Baumeisters, der in der rechten Hand einen Hammer hält; ohne Zweifel Meister Berchtold selbst. Das netzartige, mit zwanzig Schlußsteinen geschmückte Rippengewölbe des Mittelschiffes geht auch von Konsolen aus; die Schlußsteine aller drei Schiffe, sowie der zehn südlich angebauten Kapellen zeigen theils reiches Blattwerk, theils Thierfiguren, ferner die vier Evangelistensymbole; ähnlich sind die meisten Konsolen behandelt. Der große Schlußstein der Vierung enthält ein Agnus Dei. Der Chor, 30′ breit, 32′ tief, durch den mächtigen halbrunden, 5,7′ tiefen Triumphbogen von der Vierung getrennt, hat sein ursprüngliches, kräftiges, romanisches Rippenkreuzgewölbe, dessen Rippen (von breiter, rechteckiger, an den Kanten gekehlter Leibung) auf gestreckten, mit Würfelknäufen besetzten Ecksäulen ruhen. Die schlanken, tiefeingeschrägten Fenster der drei Schiffe sind einfach, die des Hauptschiffes noch ganz erhalten, die der Seitenschiffe sehr verändert; die des südlichen Seitenschiffes sind bis auf das östlichste durch die später eingefügten Kapellen unten sehr verkürzt; im nördlichen finden sich gar verschiedene Formen, rundbogige kurze, runde, oben und unten

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Maulbronn. H. Lindemann, Stuttgart 1870, Seite 138. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMaulbronn0138.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)