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1501. Die unscheinbare Kanzel, theilweise mit spätestgothischen Formen, lehnt sich an den vierten südlichen Arkadenpfeiler, trägt die Jahreszahl 1560, und die Orgel, auf der an der Westseite sich erhebenden Empore stehend, die Jahreszahl 1612. Im nördlichen Seitenschiffe ziehen sich gut geschnitzte Chorstühle hin, dem Stile nach aus der Zeit der Erneuerung der Kirche im Jahre 1424.

Betrachten wir nun den Theil der Kirche hinter dem Lettner; hier treten uns vor allem die in zwei stolzen Doppelreihen den ganzen Raum zwischen Lettner und Vierung erfüllenden Chorstühle entgegen, 92 an der Zahl. Sie sind ziemlich gut erhalten, aus Eichenholz im Stile des 15. Jahrhunderts (etwa um 1450) geschnitzt und zeigen folgende bildliche Darstellungen: Noahs Trunkenheit, den Tanz Davids vor der Bundeslade, das Opfer Kains, den Stammbaum Christi aus der Brust Jesses aufsprossend, das Einhorn im Schoße der Maria, die Opferung Isaaks, Moses am feurigen Busch, Simsons Kampf mit dem Löwen; auch sind an den westlichen Seitenlehnen der innern Stuhlreihe die Brustbilder zweier bärtiger Männer mit Mützen angebracht, welche nicht mehr entzifferbare Spruchbänder halten; es sind dieß die Bildnisse der leider unbekannten Meister dieser reichen und sehr tüchtigen Arbeit; schönes Laubwerk und kräftige Thierfratzen sind in Fülle angebracht und die hohe Rücklehne der hinteren Reihe ist oben durch feines gothisch durchbrochenes Gitterwerk belebt.

Die Partie der schmalen Vierung und des niedern dumpfigen Querschiffes steht in starkem Gegensatze zu dem hochgesprengten quadratischen Chor mit seinen zwei gothischen Prachtfenstern; beides ist in seiner Art von außergewöhnlicher Wirkung, besonders die breiten Massen der hier anstehenden Pfeiler, die schweren, engen trüblastenden Bögen, oft von Würfelknaufsäulen oder Würfelknaufkonsolen ausgehend. Der Chor selbst hat natürlich von seiner Grundstimmung verloren durch die beiden Prachtfenster; das östliche, erst kürzlich erneuerte ist sechsgetheilt durch scharfe mit schönen Rundstäben besetzte Pfosten und entwickelt sich in drei hohe, reich gefüllte Spitzbögen, welche zwei gefüllte Vierpässe und darüber einen gefüllten Dreipaß tragen. Das südliche, fast noch geschmackvollere, ist viergetheilt und trägt mit zwei gefüllten Spitzbögen einen gefüllten Dreipaß. Diese Fenster werden gegenwärtig mit farbigen Scheiben versehen. Am Scheidebogen steht: Anno Domini MDX tempore Domini Michaelis Scholl Abbatis renovatum.

In der Südwand des Chores sind einige frühgothische Sakramentnischen angebracht, und am Triumphbogen stehen sich gegenüber die einst liegend aufgestellten Grabmäler der beiden Speirer Bischöfe. Am südlichen Pfeiler dasjenige Günthers, die flacherhobene Gestalt in strengem großartigem frühgothischem Stil, wenn auch von etwas gezwungener und gespreizter Bewegung. Es stellt den Bischof

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Maulbronn. H. Lindemann, Stuttgart 1870, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMaulbronn0141.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)