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Winterrefektorium, ursprünglich wohl das Laienrefektorium, der größte bedeckte Raum des Klosters, 125′ lang, 36′ breit, 18′ hoch, also 31/2 mal so lang als breit, während seine Breite, wie die des Kellers, die Hälfte von derjenigen der Kirche. In der Mitte wird es durch sieben Doppelsäulen getheilt, die auf ihren reizvollen Blätterkapitellen rippenlose Kreuzgewölbe tragen. Die beiden ursprünglichen Eingänge führten vom Klosterdurchgang her durch zwei jetzt vermauerte Pforten mit mächtigen geraden Oberschwellen. Der Raum ist in jeder Hinsicht großartig, die Fenster, überall gedoppelt, innen gradgestürzt, außen halbrund, haben in der Mitte über sich ein Rundfenster und werden samt diesem umfaßt von einem sehr spitzen, kaum aus der inneren Seite der Wand herausragenden Entlastungsbogen. Diese gingen früher weiter herab und ruhten auf breiten, jetzt von der Wand weggespitzten Konsolen. Die Gewölbe hatten wohl ursprünglich Rippen, wofür auch der in der Nordwestecke sich befindliche, von Sailen umflochtene spätromanische Tragstein spricht. In neuester Zeit wurde die Halle unter großen Schwierigkeiten, weil jetzt auf ihr das mehrstockige Oberamtsgerichtsgebäude ruht, tüchtig erneuert, doch vermißt man an den neuen Kapitellen der Säulen die ganz ausgezeichnete Durchführung der alten, erhaltenen und in den Fensternischen aufgestellten. Außen gliedert sich das Winterrefektorium in demselben Geiste und bildet gegen Westen mehr als die Hälfte der schon oben (S. 131) besprochenen Klosterfassade. Von bedeutender Wirkung sind hier die tief eingeschrägten Rundbogendoppelfenster mit dem Rundfenster darüber, sozusagen der erste Keim des Maßwerkfensters, das wir an dem um vielleicht 20 Jahre späteren Paradies auch noch in sehr massigen Formen, aber schon prachtvoll gebildet sehen. Rechteckig umfassende und von breiten Wulsten begleitete Lisenen ziehen sich um das Gebäude und gehen, wie auch schon oben bemerkt wurde, an der ganzen Westfront des Klosters hin, die mit der ebenso behandelten Fassade der Klosterkirche im innigsten Zusammenhange steht, aber freilich stark verstümmelt und verbaut ist. Die Nordwestecke des Winterrefektoriums verdeckt ein modernes Gebäude und rechts davon vor der Außenseite des nun als Keller benützten Raumes läuft jener aus rothen Keuperwerksteinen erbaute spätgothische Hallengang hin, man sieht aber doch an seiner Rückwand noch die romanischen Lisenen, Rundbogenportale und kleine sich tief einziehende Rundbogen- und Rundfenster; ja unter dem Wulste der vierten Lisene, von der Kirche an gezählt, steht sogar eine der ältesten Inschriften, die wir besitzen, und welche die Erbauung des Gebäudes angibt. ANNO . AB . INCARNACIONE . DNI . MCCI. 1

Jener spätgothische Hallengang, eine Art Fortsetzung des Paradieses, wurde im 15. Jahrhundert mit schlichten Rippenkreuzgewölben, den romanischen nachgeahmten Pfeilerarkadenfenstern, und starken, in

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Maulbronn. H. Lindemann, Stuttgart 1870, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMaulbronn0151.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)