Seite:OAMaulbronn0216.jpg

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zuweilen Spuren von Kretinismus bemerklich machen; ihre kleine, zum großen Theil beschwerlich zu bebauende Markung nöthigt zu angestrengtem Fleiß und zugleich sehen sich viele veranlaßt, ihren Lebensunterhalt durch Taglohn- und Fabrikarbeiten zu sichern, wozu ihnen das nahe gelegene Pforzheim die beste Gelegenheit bietet. Nebenbei wird Feld- und Weinbau getrieben und von den Gewerbetreibenden sind es hauptsächlich die Maurer, Goldarbeiter, Schuhmacher und Schneider, welche sämtlich auch nach außen arbeiten. Eigentliche Bauern, die sich ausschließlich von Feldbau nähren, gibt es nicht, ebenso keine eigentlichen Weingärtner. Dann besteht hier eine bedeutende Papierfabrik, besonders Makulatur und Packpapier verfertigend, ferner eine Kunstmühle verbunden mit Kundenmühle, mit 14 Mahl- und 2 Gerbgängen, und eine Gipsmühle. Eine Bierbrauerei und fünf Schildwirthschaften, ein Kaufladen und drei Kramläden sind vorhanden.

Der Güterbesitz ist ein vertheilter, der begütertste Bürger hat 32 Morgen Äcker, 6 Morgen Wiesen, 1/2 Morgen Weinberg, der Mittelmann 4 Morgen Äcker, 1 Morgen Wiesen, 1/4 Morgen Weinberg, der ärmere Mann besitzt 1/2 Morgen Acker, 1/8 Morgen Wiesen, 1/4 Morgen Weinberg; einzelne haben gar kein Grundeigenthum. Gemeindeunterstützung erhalten gegenwärtig 14 Personen.

Die kleine Ortsmarkung besteht theils aus den steilen Gehängen gegen das Enzthal und dessen Seitenthälchen, theils aus der Hochebene, zu der steile Steigen führen, und ist daher mit Ausnahme der Enzthalebene schwierig und mühsam zu bebauen.

Der im allgemeinen mittelfruchtbare Boden besteht in der Thalebene vorherrschend aus Sand, im übrigen Theil findet sich ein kalkreicher, zuweilen steiniger Boden, (Zersetzung des Muschelkalks), theilweise kommt auch Lehm vor. Straßenmaterial liefernde Muschelkalksteinbrüche sind mehrere vorhanden.

Das Klima ist mild, dagegen kommen schädliche Frühlingsfröste und kalte Nebel nicht selten vor. Hagelschlag gehört zu den Seltenheiten, indem der nahe Hagenschies eine Wetterscheide bildet.

Die Landwirthschaft wird mit Anwendung des Brabanterpflugs so gut als es die Verhältnisse erlauben betrieben. Man baut hauptsächlich Dinkel, Haber, Gerste, wenig Roggen, Kartoffeln, dreiblättrigen Klee, Esparsette, Angersen, Hanf für den eigenen Bedarf, sehr wenig Reps und Tabak; die beiden letzteren kommen zum Verkauf. Das Getreideerzeugniß reicht nicht zur Befriedigung des örtlichen Bedürfnisses, daher noch ziemlich viel Früchte zugekauft werden müssen.

Der Wiesenbau ist im Verhältniß zum Ackerbau sehr ausgedehnt und erlaubt einen namhaften Verkauf an Futter nach außen; von den Wiesen, welche durchgängig ein gutes, nahrhaftes Futter erzeugen, können etwa 150 Morgen bewässert werden.

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Maulbronn. H. Lindemann, Stuttgart 1870, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMaulbronn0216.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)