Seite:OAMaulbronn0241.jpg

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vom Eilfinger Hof; man blickt über das milde fruchtbare flache Land hin an die blauen Höhenstreifen des Schwarzwaldes und an die scharf und edel geschnittenen Ketten der Vogesen und der Hardt. Die Stadt ist in den Vorstädten und in der sog. Marktstraße freundlich gebaut und hat meist ansehnliche, mit den Giebelseiten gegen die Straßen gekehrte Häuser, wogegen der übrige Theil, namentlich der an den See hingedrängte, ganz unregelmäßige und enge Straßen und ärmliche, oft bedenklich schief stehende Häuschen hat; eine Folge theils des Mangels an Raum, theils mehrerer Einäscherungen der Stadt im dreißigjährigen und in späteren Kriegen; doch würde ein größerer Reinlichkeitssinn auch diesem Stadttheil ein besseres Aussehen geben. Die steinernen Unterstöcke dieser Häuschen sind meist ziemlich alt, man liest daran Jahreszahlen wie 1568, 1685. Die Ortsstraßen sind in gutem Zustande, chaussirt und gekandelt. Die Hauptstraße (Marktstraße) erweitert sich in der Nähe des Rathhauses und dient hier als Marktplatz; ein weiterer Platz ist der an der Kirche südwestlich gelegene sog. Brandplatz. 1

Die Kirche steht unweit des westlichen Endes der Stadt auf der äußersten Spitze jenes Ausläufers, auf den der Ort hingebaut ist, und zwar so, daß der im Westen sich erhebende Thurm schon am ziemlich steilen Abhange steht. Thurm und Schiff der Kirche stammen aus dem dreizehnten Jahrhundert, doch erlitt das Schiff bedeutende Veränderungen und von den ursprünglichen, in der Höhe angebrachten, schmalen Spitzbogenfenstern sieht man nur noch einige, daneben aber aus später gothischer Zeit größere Spitzbogenfenster, sowie einige Pforten eingebrochen. Im 17. Jahrhundert (s. unten) wurde das Schiff von den Franzosen eingeäschert und hierauf in seinem gegenwärtigen Stil wiederhergestellt. Der 141′ hohe Thurm, ein starker Vertheidigungsthurm, unter dem sich ein gewölbter Keller befindet, ist unten herauf mit Schießscharten versehen und auch im ersten und zweiten Geschosse tonnengewölbt. Seine im obersten Stockwerk angebrachten Schallfenster, sehr alterthümliche mit dem Kleeblatt gefüllte Doppelfenster mit einem tiefen Rundfensterchen zwischen den Bögen, erinnern an die Fenster des Paradieses an der Maulbronner Klosterkirche. Der halbachteckig schließende Chor ist in gutem spätgothischem Stil, mit schlanken, einst gefüllten Spitzbogenfenstern und starken Strebepfeilern aufgeführt. An dem südöstlichen Strebepfeiler sieht man das Wappen von Maulbronn und die Inschrift: Anno dni. 1469 ist gebuet dieser choir (Chor); darüber steht unter zierlich gearbeitetem Baldachin ein Steinbild der Maria mit dem Kinde; ein lebhaft, fröhlich und naturwahr behandeltes Werk. Am südlichen Strebepfeiler findet sich eine Rose (die Roßwag’sche?) und der Name Silberysin. Das freundliche Innere der Kirche hat überall flache Decken, die Gewölbe des Chors sind entweder herausgeschlagen

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Maulbronn. H. Lindemann, Stuttgart 1870, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMaulbronn0241.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)