Seite:OANürtingen 113.png

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begreift 29 Morgen. Unter den öffentlichen Gebäuden gebührt die erste Stelle der Stadtpfarrkirche (zum h. Laurentius). Sie steht auf dem dominirendsten Punkt der Stadt und ist in gothischem Styl im 15ten Jahrhundert gebaut, groß und ansehnlich, im Innern hell und geräumig, aber ganz einfach. Ihr einziger Schmuck ist (den überladenen Kanzeldeckel abgerechnet) die geschmackvoll decorirte Orgel, 1725 von Hausdörfer in Tübingen gebaut, welche rings an der Wand der Chornische angebracht worden ist, statt diese, wie sonst so häufig geschehen, der Quere nach zu verbauen.[1] Frommen Stiftungen verdankt die Kirche schöne Cultusgeräthe. An der Westseite erhebt sich der ansehnliche Thurm; ihn deckt eine Blechkuppel von etwas unschöner Zeichnung mit einem kleinen Glockenlaternchen.[2] Seine Höhe beträgt von der Erdfläche bis an die Dachtraufe 116,4 Par. Fuß. – Die Parochialverhältnisse s. hienach.

Die Kirche zum heil. Kreuz in der obern Vorstadt ist von Almosen erbaut worden, welche in Folge zweier Bittbriefe des Grafen Ulrich im J. 1455 eingingen. Ihre ursprüngliche Bestimmung war die einer Kirchhofcapelle. In neueren Zeiten blieb sie lange ungebraucht und wurde zuletzt Heumagazin, 1823 aber wieder hergestellt und 1842 in gothischem Geschmack verschönert, und wird, sobald sie auch im Innern etwas verbessert seyn wird, zu einzelnen Wochengottesdiensten verwendet werden. Sie stellt sich von außen sehr vortheilhaft dar, was übrigens mehr der neuerdings vorgenommenen Restauration als dem ursprünglichen Bau des Schiffs, der ziemlich unregelmäßig war, zu danken ist. Nur der Chor war von jeher schön.[3]

Die Friedhof- oder Siechen-Capelle, 1610 von der Stadt erbaut, dient hie und da zu Leichengottesdiensten.

Eigenthümerin dieser drei Kirchen ist die Stadt, und zwar

  1. In dieser Kirche befanden sich ehemals als Altarschmuck fünf Gemälde der schwäbischen Schule, welche die Stadt im Jahr 1841 der Königl. Kunstschule in Stuttgart zum Geschenk gemacht hat; vergl. Kunstblatt zum Morgenblatt 1844 Nr. 38 S. 159.
  2. Die größte Glocke stammt von Blaubeuren: Herzog Ulrich ließ sie aus diesem Kloster nach Stuttgart führen um daraus Geschütz zu gießen. Nürtingen aber erbot sich neuen Zeug dafür zu liefern und erhielt sie. (Balth. Mütschelin Landbuch.)
  3. Eine Capelle, von welcher man noch die Grundmauern erkennen will, soll in der untern Vorstadt über dem sogenannten Heiligen- oder Weihbrunnen, der früher von Wallfahrern häufig besucht und für heilkräftig gehalten worden seyn soll, sich befunden haben.
Empfohlene Zitierweise:
August Friedrich Pauly: Beschreibung des Oberamts Nürtingen. J. G. Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1848, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAN%C3%BCrtingen_113.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)