Seite:OANürtingen 137.png

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Ortsarmen erworben worden. – Sämmtliche Zehnten, vom Kloster Denkendorf herrührend, bezieht der Staat, welcher die 1841 verwandelte Pfarrstelle besoldet. Nur ein unbedeutender Zehntantheil steht dem Hospital Kirchheim zu. – Das Fischwasser in der Aich gehört dem Staat; die Verpachtung ist aber wegen mangelnden Ertrags seit längerer Zeit nicht mehr versucht worden. Alle Gülten und Hellerzinse, die auf der Markung gelastet, sind 1843 mit einem Capitalbetrage von 15.056 fl. abgelöst worden.

Das Dorf ist theils im Thal der Landstraße entlang, theils den linken Abhang hinan gebaut, hat eine reinliche Hauptstraße und ist von gutem Aussehen. Im obern Theil des Ortes, vom Begräbnißplatz umgeben, steht die Pfarrkirche, ein für seine Bestimmung zu beschränktes Gebäude. Nach der Sage, für welche auch der Name einer Gasse im untern Dorfe „Kirrigasse“ (Kirchgasse) spricht, sollen Kirche und Pfarrhaus in alten Zeiten unten gestanden haben, und erst 1449, nach der Einäscherung des Ortes durch die Reutlinger, auf die Anhöhe gebaut worden seyn. Für diese Zeit zeugt auch die Bauart der Kirche, wenigstens des Chors. Die Baulast ruht auf der Stiftungspflege, und bei deren Unvermögen auf der Gemeindecasse. Das ganz in der Nähe der Kirche hoch und angenehm gelegene Pfarrhaus, welches der Staat im Bau erhält, bietet eine schöne Aussicht nach der Alpkette.[1] Die Schule mit 2 Lehrern befindet sich ebenfalls oben im Ort, in einem 1841 mit einem Aufwand von 4000 fl. (darunter 450 fl. Staatsbeitrag) vollständig erneuerten Hause. Eine 1836 errichtete Industrieschule findet wenig Anklang. Das hübsche Rathhaus unten an der Hauptstraße wurde 1836 mit einem Aufwand von 2200 fl. auf den Unterstock des alten erbaut. Über die Aich führt am östlichen Ende des Ortes eine solide steinerne Brücke, eine kleinere über den Bombach. Der untere Theil des Dorfes hat reichliche und vortreffliche Quellbrunnen. In älterer Zeit war hier eine Badstube, von welcher noch ein Acker seinen Namen trägt. Unterhalb desselben sprudelt eine Quelle aus einem hohlen Eichenstumpf hervor, welcher man Heilkräfte für das Vieh zuschrieb. Ein Hungerbrunnen soll bisweilen zum Vorschein kommen. In dem von Wasseradern reichlich durchsetzten Boden der Gegend findet man die Ursache der Erdbrüche und Schlipfe[WS 1], welche sich zuweilen ereignen.

Ehemals führte man es als eine Merkwürdigkeit von Aich an, daß hier der Mittelpunkt des Herzogthums sey.

  1. Neben der Pfarrei, deren Patronat dem Kloster Denkendorf zustand, bestand vor der Reformation auch eine Frühmeßpfründe.
  1. WS: Schlipf = Erdrutsch
Empfohlene Zitierweise:
August Friedrich Pauly: Beschreibung des Oberamts Nürtingen. J. G. Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1848, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAN%C3%BCrtingen_137.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)