Seite:OANürtingen 147.png

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Orte des Unterlandes, ist aber gewöhnlich von leichter Qualität und findet seine Käufer meistens in den Alporten. Auch wurden, wenigstens früher, im Herbst viele Trauben in’s Oberland verkauft. – Ein namhafteres Emporkommen der Rindviehzucht wäre zu wünschen; ihrer größeren Ausdehnung steht der beschränkte Grundbesitz im Weg. Schafzucht wird von einigen Schäfern, nicht von den Bürgern betrieben; der Weidepacht erträgt für die Gemeindekasse 600 fl. Früher wurden viele Ziegen gehalten, woher man die Benennung des Ortes Gaisbeuren zum Unterschied von andern Beuren, herleiten will. Die Bienenzucht wird mit Glück betrieben und ist im Zunehmen.

Die Bewohner kündigen sich schon durch ihr Äußeres als ein von den Thalbewohnern merklich verschiedener Menschenschlag an; sie sind größer, kräftiger und im Ganzen mehr wohlgebaut, auch sind dunkle Haare hier häufiger als im Thal; die Mundart ist schon mehr oberländisch, die Anhänglichkeit an das Alte und Hergebrachte noch allgemeiner, was sich auch in der Tracht zeigt. Der Charakter erscheint bei oberflächlicher Bekanntschaft etwas rauh und derb; dagegen rühmt man große Betriebsamkeit, Wirthschaftlichkeit und dabei mildthätigen Sinn gegen Nothleidende. Der sittlich religiöse Zustand gehört zu den befriedigenden der Gegend. Aber nur sehr mittelmäßig sind im Allgemeinen die ökonomischen Verhältnisse. Das Grundeigenthum, namentlich das Ackerland, ist wie bemerkt, sehr beschränkt und zerstückelter als in irgend einer Gemeinde des Oberamts. Um so eifriger werden die vorhin genannten Erwerbszweige cultivirt, außerdem auch das Spinnen, Weben, das Arbeiten um Tagelohn zur Ärntezeit in auswärtigen, selbst entfernten Orten, von armen Leuten das Beerenlesen, Kräutersammeln etc. fleißig betrieben. Sonst ist der Gewerbefleiß Nebensache. Es findet sich eine Mahlmühle, eine Bleiche, zwei Schildwirthschaften und ein Gemeindewaschhaus. Die Gemeinde hat einen ansehnlichen Waldbesitz. Der Großzehnt wird dem Staat, Kleinzehnt keiner entrichtet, oder vielmehr ein sehr unbedeutendes Geldsurrogat zu 15/16 dem Staat, zu 1/16 dem Ortsheiligen geliefert, s. hienach. Auch von den Wiesen sind nur 1136/8 Morgen zehntbar. Einen kleinen Zehnttheil hat der Ortsheilige.

Der Ort wird von der 1/4 Stunde oberhalb entspringenden sogenannten Beurener Steinach durchflossen, mit welcher sich unterhalb die vom Fuße des Schloßberges herkommende Stockach vereinigt. Er nimmt sich von den benachbarten Höhen gesehen gut aus, ist etwas eng gebaut, aber freundlich und reinlich. Die Pfarrkirche am westlichen Ende des Ortes ist für die bedeutende Anzahl der Gemeindeglieder, da auch Balzholz hieher eingepfarrt

Empfohlene Zitierweise:
August Friedrich Pauly: Beschreibung des Oberamts Nürtingen. J. G. Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1848, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAN%C3%BCrtingen_147.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)