Seite:OANürtingen 159.png

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gleichmäßig; es gibt keine reiche, aber auch sehr wenig ganz arme Leute. Mehr als in manchen Nachbarorten hält man sich hier noch an alte Tracht und Sitte. Gewerbe sind Nebensache und bloß lokal. Nebenerwerb bietet sich nicht dar und wird nicht aufgesucht, außer daß zur Erntezeit die Ärmeren auswärts gegen Taglohn arbeiten. Schildwirthschaften bestehen zwei. Die Gemeinde besitzt ein Back- und Wasch-Haus und hat 134 Morgen Laubwald, davon ein Distrikt von Altdorfer und Bempflinger Markung eingeschlossen ist; dabei bleibt das Holz immer ein sehr fühlbares Bedürfniß der Bewohner. Sämmtliche Zehnten, mit Ausnahme des der Pfarrei zustehenden kleinen, bezieht der Staat. Die Reallasten, größtentheils dem Staat zu entrichtende Fruchtgülten und Hellerzinse, sind nicht unerheblich.

Der größere Theil des Dorfs ist einem ziemlich steilen südwestlichen Abhang hinangebaut. Die Kirche mit dem 1831 sehr erweiterten Begräbnißplatz liegt auf der Höhe; sie ist aus der zweiten Hälfte des 15ten Jahrhunderts (die Jahrszahl 1497 am Chor) und hat ein freundliches Innere, aber ein unscheinbares, niedriges Glockenhaus. Eigenthumsrecht und Baulast hat der Ortsheilige. Weiter unten im Dorf steht das 1716 erbaute Pfarrhaus, welches dem Staat gehört. Das Rathhaus, 1812 erbaut, ist ein geräumiges Gebäude. Hoch und schön liegt das 1828 aufgeführte Schulhaus; es arbeiten an der Schule ein Lehrer und ein Lehrgehülfe. Hinlängliche, gute Quellbrunnen sind vorhanden, an Verbindungsstraßen aber mit der Nachbarschaft und guten Wegen fehlt es, mit Ausnahme des Fahrwegs nach Nürtingen.

Nordöstlich über dem Ort erhebt sich der Geigersbühl (in Lagerbüchern auch „Geyersbühl“), auch die Bettlinger Spitze genannt, ein zwar nicht sehr hoher, aber für eine ausgebreitete, höchst reizende Aussicht glücklich gelegener Punkt, dessen Panorama vor dem des Grafenberges, der allerdings die Gegend in weiterem Umfang beherrscht, wenigstens den Vorzug behauptet, daß hier die Alpkette weniger nahe vor das Gesicht tritt und daher mehr in ihrer großen Ganzheit überschaut werden kann. Einige Linden- und Nußbäume auf dem Gipfel erhöhen durch ihren kühlenden Schatten die Annehmlichkeit dieses Standpunktes.[1]

Die Mühlwiesen in einem flachen Thaleinschnitt zwischen hier und Raidwangen haben ihren Namen von einer jetzt verschwundenen Mühle. Wegen des abgegangenen Ortes Heudorf

  1. Unser vaterländischer Dichter Eduard Mörike hat ein anziehendes Gemälde von dem Geigersbühl und seiner Aussicht in die Novelle „Maler Nolten“ verflochten. Thl. II. S. 443 ff.
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August Friedrich Pauly: Beschreibung des Oberamts Nürtingen. J. G. Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1848, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAN%C3%BCrtingen_159.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)