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reichlich; sie haben mit den Äckern die gleichen Preise zu 200, 350 und 500 fl. Die Obstzucht gehört zu den geringsten im Oberamt. Die Gemeindewaldung (2771/2 Morgen) ist in mittelmäßigem Zustand und deckt das Bedürfniß nicht; übrigens besitzen die Wolfschluger auch 80 Morgen Laubwald auf Hardter Markung.

In früherer Zeit hatte Wolfschlugen auch einen Namen unter den durch Pferdezucht ausgezeichneten Orten; jeder Bauer hatte 1 bis 2 Zuchtpferde, und in der ganzen Gegend waren die hiesigen Thiere als gesund und schön beliebt. Dieß hat nun sehr abgenommen und ist immer mehr in Abnahme. Dagegen ist die Pferdehaltung noch immer beträchtlich, und der Pferdehandel (namentlich von Arnold und Söhnen) lebhaft und im Zunehmen begriffen. Von jeher waren die Wolfschluger gute Reiter und der Hahnenritt (s. oben allg. Theil S. 49) bei feierlichen Hochzeiten ist ein noch immer fortlebender Brauch. Seit einer Reihe von Jahren ist man gewöhnt, die Namen Pfäfflin, Arnold, Speidel als die der siegreichen Wettrenner bei dem Canstatter Volksfest wiederkehren zu sehen, und diese Erfolge bestimmen fast jeden Pferdebesitzer, ein junges Thier zum Rennen zu dressiren, für welchen Zweck die Ebene gegen Köngen als Hippodrom dient, wo man schon kleine Knaben mit vieler Keckheit die Fohlen tummeln sieht. (Vgl. Beobachter 1844. Nr. 203.) - Die Rindviehzucht kommt besonders durch die Einführung guter Zuchtstiere und Kühe aus der Schweiz immer mehr in Aufnahme; dagegen ist die Schafzucht unerheblich. Geflügel wird viel gehalten und von den Neuhauser Händlern aufgekauft.

Die Bewohner sind kräftige, in ihrem Benehmen mitunter etwas derbe Menschen, sehr anhänglich an das Alte in Tracht und Sitte, aber auch, wie man behaupten will, in manchen abergläubischen krassen Vorstellungen mehr als Andere befangen. Wenn es gleich nicht an bemittelten Bauern fehlt, so können die ökonomischen Umstände der Einwohnerschaft im Ganzen doch kaum mittelmäßig genannt werden. Das Grundeigenthum geht in zu kleine Theile und ein Hauptnahrungszweig, das Spinnen mit dem Garnhandel und der Weberei ist von seiner Höhe sehr herabgekommen. Ehemals gewährte Wolfschlugen, namentlich zur Winterszeit, das Bild einer einzigen großen Fabrik, indem jeder Stand, jedes Alter und beide Geschlechter vom frühen Morgen bis in die späte Nacht mit Spinnen sich beschäftigten. Nach einer gemeinderäthlichen Schätzung wurden noch ums Jahr 1826 jährlich über 150.000 Schneller meistens Flachsgarn gesponnen. Der Absatz der Schneller, gewöhnlich à 6 kr. war leicht und lebhaft und ging meistens nach Urach, Münsingen, Laichingen und andern

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August Friedrich Pauly: Beschreibung des Oberamts Nürtingen. J. G. Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1848, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAN%C3%BCrtingen_224.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)