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bedeutenden Weberorten auf der Alp. Sehr vieles wurde auch im Ort selbst verwoben, wie denn noch jetzt manche Haushaltung durch einen auf dem Lande ungewöhnlichen Luxus in vielem und schönem Weißzeug sich auszeichnet. Wiederholte Flachs-Mißjahre, das Sinken des Preises und die überhandnehmende Verbreitung des Maschinengespinnstes haben diese Industrie sehr herabgedrückt, wiewohl es der bedächtigen Hausfrauen aller Orten noch viele gibt, welche einem sorgfältigen Handgespinnst den Vorzug vor dem Maschinengarn geben zu sollen glauben. Die Weberei beschäftigt jetzt nur noch etwa 40 Stühle. Doch zeichnen sich auch jetzt noch einzelne Weber aus; so Maier, der ein Patent auf ein verbessertes Weberschiff erhalten hat. – Erwähnung verdient, daß hier – wiewohl früher mehr als jetzt – gute Orgeln gebaut, auch musikalische Instrumente verfertigt werden. – Schildwirthschaften bestehen 3.

Die Gemeinde hat zum Zweck der Armen-Unterstützung als Antheil an der Hospital-Armenstiftung in Nürtingen ein Capital von 3500 fl. erhalten. Von der Schafweide erhebt sie nur 100 bis 150 fl. Pachtgeld. Des Waldes ist oben gedacht worden. – Den Großzehnten bezieht der Staat (für das aufgehobene Diaconat Löchgau) zu 1/4, der Hospital Nürtingen (erkauft von den Herrn v. Neuhausen 1566) zu 1/2, die kath. Pfarrei Neuhausen zu 1/4; den kleinen und Heu-Zehnten der Staat (wie vorhin) zu 1/2, der Hospital Nürtingen zu 1/2. Einen Zehntbezug (aus den Nürtinger Kellerei-Lehenhofsäckern) haben auch einzelne Bürger. Zehntfrei sind 64 Morgen Wiesen, und kleinzehntfrei ein großer Theil der Äcker. Die Pfarrei hat zu keiner Zeit irgend einen Zehnten bezogen.

Der Ort liegt an der Straße nach Stuttgart und gewinnt auf dieser Seite durch bessere Häuser und zunehmende Reinlichkeit. Sonst finden sich viele kleine und unansehnliche Wohnungen. Noch vor wenigen Jahrzehnden sah man hier Strohdächer, die nun alle verschwunden sind. Die etwas zu kleine Kirche ist alt, hat aber im Anfang des 17ten Jahrhunderts eine Erneuerung erfahren und ein gutes Aussehen; die Stiftungspflege trägt die Baulast. In frühen Zeiten ist der Ort ein Filial von der Pfarrei Neuhausen gewesen. Der Begräbnißplatz liegt am westlichen Ende des Orts und ist 1837 bedeutend erweitert worden. Das Pfarrhaus wird auf Kosten des Staates erhalten, der 1834 eine ansehnliche Verbesserung und Erweiterung damit vorgenommen hat. Das Schulhaus dagegen ist alt und ungeeignet; es unterrichten ein Lehrer und ein Unterlehrer. Das Rathhaus, ein geräumiges Gebäude, ist 1609 erbaut worden. Trinkwasser (aus 1 Rohr- und vielen Schöpf-Brunnen) ist im Überfluß vorhanden und vortrefflich.

Empfohlene Zitierweise:
August Friedrich Pauly: Beschreibung des Oberamts Nürtingen. J. G. Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1848, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAN%C3%BCrtingen_225.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)