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Alters her sich gerne nachrühmen läßt. Ein gewisser Antagonismus gegen schwäbisches Wesen, theils politischen, theils konfessionellen Ursprungs, zeigt sich z. B. auch darin, daß in einzelnen Gegenden „Schwåb“ als Schimpfwort erscheint. Im allgemeinen sind die Bewohner ordnungsliebend, fleißig, arbeitsam, besonders die Bewohner der krummen Ebene und des Kocherthals, die ackerbauende Bevölkerung. Hier sind auch in der Regel die Vermögensverhältnisse geordnet, es sind meist wohlhabende, zum Theil sehr wohlhabende Gemeinden; aber auch bei der unvermeidlichen Armut wird dieser Sinn für Ordnung, Fleiß und Sparsamkeit gerühmt. Und auch da, wo die altgermanische Lust zu trinken, mit den sogleich weiter zu erwähnenden Mißständen, schon Unordnung, Streit- und Prozeßsucht, sowie finanzielles Herunterkommen im Gefolge gehabt hat, zeigt das Beispiel einzelner Gemeinden, wie in wenigen Jahrzehnten, ja sogar Jahren durch die Energie tüchtiger Ortsvorsteher im Zusammenwirken mit treuen Geistlichen die Bevölkerung wieder emporgehoben werden kann. Die Kleinheit der Markung, beziehungsweise deren Einengung durch andere Besitzer, und all die Nachwirkungen der alten Feudal-Verhältnisse und der früheren Abgetrenntheit eines beträchtlichen Theils des Bezirks vom größeren Verkehr, endlich die Abhängigkeit eines nicht kleinen Theils der Bevölkerung von den zahlreichen Juden im Bezirk (er nimmt in dieser Hinsicht die 14te Stelle unter den 64 Oberamtsbezirken ein) – das alles sind eben schwer zu bekämpfende Hemmnisse des ökonomischen und moralischen Fortgangs, wie andererseits auch wieder ausgedehnte Gemeindewaldungen mit ihrem „Gaben“-genuß oft keineswegs bloß zum Segen gereichen; die Übelstände im Leben reiner Fabrikbevölkerungen dagegen sind immer nur in geringem Maß zu Tage getreten. Es verdient erwähnt zu werden, daß nie eine einzige Gemeinde des Bezirks, auch nicht während der gedrücktesten Zeit in den 1850er Jahren, die gar viele zur Auswanderung trieb, unter Staatsaufsicht gestellt werden mußte.

Ihrer Beschäftigung nach besteht die Bevölkerung größtentheils aus Bauern und Weingärtnern; das Kleingewerbe ist hauptsächlich in den Städtchen vertreten, deren wir außer der Oberamtsstadt vier zählen. Im Allgemeinen bildet der Bezirk das Hinterland von Heilbronn, von wo die meisten und hauptsächlichsten Bedürfnisse von der Landbevölkerung bezogen werden, wie denn der Bezirk auch zu Heilbronns stark besuchten Märkten

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Neckarsulm. Kohlhammer, Stuttgart 1881, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OANeckarsulm0108.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)