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ein bedeutendes Kontingent stellt. Der Verkehr des Hinterlandes ist durch die schon im Jahr 1869 eröffnete Eisenbahn vom Neckar ins Jagst- und Seckachthal gefördert worden; seit neuester Zeit ist auch der Eisenstrang Neckarabwärts fertig gestellt, so daß die Bewohner des Kocherthals vollends mit neidischen Blicken hinüber zu den mehr bevorzugten Nachbarn blicken. Von Heilbronn bezieht der Bezirk auch größtentheils seine politisch-publizistische Nahrung, er selbst besaß bis in die neueste Zeit kein eigenes politisches oder Amtsblatt. Die Heilbronner „Neckarzeitung“ ist Amtsblatt auch für den Oberamtsbezirk Neckarsulm. Erst seit 1880 erscheint in der Oberamtsstadt auch ein eigenes Blatt, „Der Sulmbote“.

In Kleidung und Tracht findet sich im Bezirk nichts Eigenthümliches: die ländliche Volkstracht ist überall von der städtischen verdrängt worden. In einzelnen Ortschaften, wird gesagt, sei besonders bei dem weiblichen Geschlecht die Sucht groß, sich städtisch, beziehungsweise nach der Mode zu kleiden, was vielfache Ursache zu Schuldklagen gebe. Auch in Beziehung auf Sitten und Gebräuche ist nahezu alles Alte und Eigenthümliche dem modernen Verflachungssystem zum Opfer gefallen. Von einigen Gemeinden (Neckarsulm, Binswangen, Degmarn, Duttenberg, Höchstberg, Jagstfeld), wird noch die Sitte der Johannisfeier berichtet. Es ist die Schuljugend, die sich an diesem Tag mit dem „Feuerhopfen“, mit Springen über das „Kanzenfeuer“ (Sankt Johannisf.) belustigt; in Jagstfeld rufen die Kinder vor den Häusern: ’s wohnt e gute Frau im Haus, werfet e Büschele Reisich raus, oder wir lasse de Marder ins Haus. In Offenau, Höchstberg, Duttenberg, Bachenau, Untergriesheim und Jagstfeld fand früher der Maithauritt statt. Am 1. Mai Morgens schon um 1 und 2 Uhr ritten die Bursche in den Wald hinaus. Da ward gepfiffen und wurden kirchliche und sog. Mailieder gesungen. Die zu Fuß lagerten sich und waren guter Dinge, dieweil die Reiter sich am Waldessaum tummelten, bis Sonnenaufgang. Später wurde ein bloßer Wirthshausritt in benachbarte Orte daraus. (Birlinger, Volksth. 2, 93. 98.) Die allgemeinste und überall zu findende Belustigung der männlichen Bevölkerung ist das Kegelspiel, das hauptsächlich an den Nachmittagen der Sonn- und Feiertage in der guten Jahreszeit betrieben wird. Während des Winters beschränkt sich die Unterhaltung wie überall auf möglichst enges Zusammensitzen im qualmgefüllten Wirthschaftszimmer. – Scheibenschießen wird nur in Neuenstadt und

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Neckarsulm. Kohlhammer, Stuttgart 1881, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OANeckarsulm0109.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)