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zwischen den Gemeinden Brettach und Cleversulzbach habe ein gottvergessener Förster das strittige Terrain dadurch an Brettach zu bringen gewußt, daß er beschwur, so wahr ein Schöpfer über ihm sei, stehe er auf Brettacher Boden. Er beging aber dadurch eine Täuschung, vielmehr einen Meineid, daß er in seinen Hut, den er auf dem Kopf hatte, einen Löffel (Schöpfer) und in seine Stiefel Brettacher Erde gethan hatte. Zur Strafe für diesen Meineid muß er gehen: er ist der oben erwähnte Häldengeist. Man will ihn besonders am Stephanstag in grauem Jägerrock, von einem oder auch 12 Hunden begleitet, gesehen haben und hört öfter sein Rufen im Wald: Hau, Hau! – Da man ihn in letzter Zeit nicht mehr gesehen hat, greift natürlich der Glaube um sich, seine Straf- und Bußzeit sei nun vorüber und er zur Ruhe eingegangen. – Dieselbe Sage beansprucht übrigens auch Gochsen, ohne jedoch einen förmlichen Löffelstein zu besitzen. Dort ist es ein Streit zwischen Gochsen und Neuenstadt um die Flur „Halde“ gewesen, die ein Neuenstadter Jäger zu Gunsten Neuenstadts durch jenen Eid entschied; daher der Name „Häldengeist.“ Es ist eine jener Sagen, die zum Gemeingut der germanischen Stämme geworden sind. (Vgl. Ganzhorn in Wirt. Franken 9, 266. Birlinger, Volksthümliches 1, 222.)

In Neckarsulm wird die Entstehung der Gottesacker-Kirche und einer Kapelle so erzählt: Unter einem Steinhaufen zog man einstens ein Muttergottesbild hervor und stellte es in der Stadtpfarrkirche auf. Bald erhob sich dem wunderbaren Funde zu Ehren die Gottesackerkirche. Aber so oft man das Bild in dieselbe brachte, flüchtete es immer wieder zu dem Steinhaufen hinaus, bis man dort eine Kapelle baute. (Birlinger, Aus Schwaben 1, 64.) Der Hörnlesgeist bei Neckarsulm bläst ins Horn, wenn es Krieg geben soll. (Ebend. 206.) Wenn dort zur schwülen Erntezeit ein kühles Lüftchen geht, so sagt man: die Klosterfrauen beten. (Ebend. 401.)

Weiter erwähnen wir noch die Sage, die sich an den Michelsberg bei Gundelsheim und an die auf ihm stehende Kapelle knüpft. Als die Ufer des Neckars noch Wildnis waren, lebte in der Gegend ein heidnischer Jüngling, der eine Braut hatte, die Christin war. Nachdem diese lange vergeblich versucht hatte, ihren Bräutigam zu bekehren, entsagte sie ihm und zog sich zu stiller Gebetsübung in die Einsamkeit zurück, wo sie dahinwelkte, nachdem sie ihr Schicksal auf Steine und in Bäume eingegraben. Darauf kommt der heidnische Jüngling auf der Jagd an jene Stelle, wo er die Erinnerungszeichen der einstigen Braut findet. Tiefe Reue erfaßt ihn: er geht in sich, beschließt Christ zu werden und läßt sich vom Bischof in Worms taufen. Nun erbaut er sich auf dem Berge eine Einsiedlerhütte; der Ruf seiner Frömmigkeit wurde weit im Umkreis bekannt und viele Pilger suchten ihn auf. Eines Morgens fanden ihn die Waller entseelt und erbauten nun an der Stelle, wo sein Einsiedelhaus gestanden, seiner Bekehrung zu Ehren eine dem Satansüberwinder, St. Michael, geweihte Kapelle. Der Berg heißt in seinem südlichen Abfall heute noch „das Himmelreich.“ (Vgl. Jäger, Handb. f. Reis. in d. Neckargeg. Anh. 77 f.) – Auch die Sage vom Siebenrohrbrunnen (Heiligbrunnen) und der Erbauung der Kilianskirche in Heilbronn durch Kaiser Karl den Großen knüpft sich an unsere Gegend, sofern der Kaiser auf der Jagd am Scheuerberg

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Neckarsulm. Kohlhammer, Stuttgart 1881, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OANeckarsulm0114.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)