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auf eines der Kinder fort. Der Grundbesitz ist deshalb auch meistens nur ein mittlerer.

Die Bevölkerung ist besonders in den Weinorten arbeitsam und sucht sich etwas zu verdienen und zu erwerben; es ist keine seltene Erscheinung, daß Leute ohne Mittel es zu Wohlstand bringen.

Nahrung. In den Städten wird ziemlich viel Fleisch verzehrt. Das Getränke – Bier, noch mehr Obstmost und Wein – spielt eine Hauptrolle und Viele arbeiten den ganzen Tag, ohne etwas anderes als Most und Brot zu genießen. Das Nachtessen besteht theilweise in Fleisch, Rindfleisch, häufig auch blos in Kartoffeln und Milch. Als Frühstück wird von vielen Arbeitern und Weingärtnern blos Branntwein genossen, Kaffee von vielen mittleren Leuten als Frühstück, Mittags- und Abendkost verzehrt, weshalb manche, namentlich die Frauen, ein blasses, blutarmes Aussehen haben.

Der Menschenschlag ist von mittlerer Größe, zäh und ausdauernd; die Leute um Kochendorf und Jagstfeld sind im Allgemeinen hager und von mittlerer Größe. Man sieht äußerst wenig fette Leute, sowohl unter den Frauen, als den Männern, doch eher noch unter den Frauen. Es hängt das wohl einerseits von den Nahrungsverhältnissen ab (im Allgemeinen wenig Bier), sowie dem meist spärlichen Verdienste, andererseits von dem Temperament, das überwiegend als cholerisch oder melancholisch bezeichnet werden muß. Das sanguinische und phlegmatische Temperament ist entschieden in der Minderheit im Bezirk.

Die Leute erreichen oft ein höheres Alter. In den Leichenregistern finden sich jährlich 12–20, namentlich Frauen, von 80 und mehr Jahren. 90 Jahre und darüber wiederholen sich alle 3–4 Jahre. Eine Frau zu Siglingen erreichte vor etwa zwei Dezennien das seltene Alter von 100 Jahren 4 Monaten und 16 Tagen. Es sind häufig ganz arme Leute, welche zu diesem hohen Alter kommen. Unter den Gestorbenen erreichen 10–11 % ein Alter über 70 Jahre und ärztlicher Hilfe bedienen sich gegen 70 %.

Aus den Musterungen von 1876 bis 1878 ergab sich für das Oberamt eine mittlere Körpergröße von 165,5 cm, genau wie für Heilbronn, bei einem Mittel für Württemberg von 165,1 cm und den Extremem von Horb (167,2) und Marbach (163,2). Durch einen stattlichen Menschenschlag zeichnen sich Lampoldshausen und Roigheim aus.

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Neckarsulm. Kohlhammer, Stuttgart 1881, Seite 696. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OANeckarsulm0696.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)