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Aus den Zusammenstellungen von Klein für die Jahre 1853 bis 1864 hat sich eine hohe Zahl der allgemeinen Körperschwäche ergeben: 12,9 % bei einem Mittel von 12,2 % und den Extremen Stuttgart, Amt mit 7,6 % und Brackenheim mit 20,8 %. Für Kropf fand derselbe die hohe Zahl von 12,0 % bei einem Mittel von 5,4 %. Hier war die höchste Zahl 23,1 % für Brackenheim, die niederste 0,49 % für Riedlingen.

Die Schädelform ist gemischt: vorherrschend brachycephal und rund; auffallend ist das häufige Vorkommen exquisit dolichocephaler Schädelbildung in dem bis 1846 zum Bezirk gehörigen abgeschlossenen Unterkessach. Die Augen- und Hautfarbe ist vorherrschend dunkel.

Die Geburts- und Sterblichkeits-Verhältnisse sind nicht ungünstig (s. oben S. 92 ff.). Es ist schon lange nicht vorgekommen, daß im ganzen Bezirk weniger geboren als gestorben sind. In dem Zeitraume von 1870–1879 sind jährlich zwischen 11 und 29 Mehrgeburten vorgekommen, worunter zweimal Drillinge. Es leben im Bezirke 3 Drillingsbrüder, welche bereits als Taglöhner arbeiten.

Das Stillen der Kinder an der Mutterbrust ist vorherrschend. Es werden beispielsweise von 1182 – resp. nach Abzug von 55 Todtgeborenen – von 1127 Kindern, 948 gestillt. Der Grund des Nichtstillens liegt entweder in Hohlwarzen, Mangel an Milch, oder auch darin, daß das Kind die Brust durchaus nicht annimmt.

Die meisten Kinder sterben im ersten Vierteljahre des Lebens gewöhnlich an Verdauungsstörung. Bei 1127 Geburten starben 333 Kinder im ersten Lebensjahr (und hievon wieder 184 im ersten Vierteljahre) = 30,3 % (bezw. 50,1 % der im ersten Lebensjahr Verstorbenen). Der Bezirk gehört bezüglich der Kindersterblichkeit immerhin noch zu den günstigeren des Landes.

Künstlich entbunden werden im ganzen Oberamtsbezirk 5–6 % der Gebärenden, im Kocherthal mehr als im Jagstthal, wogegen hier wiederum Placentar-Operationen häufiger sind.[1]


  1. Übrigens berichtet Dr. Steudel, daß er in dem 1600 Einw. zählenden Kochendorf jährlich durchschnittlich nur 1–2 Frauen künstlich entbinden mußte, dagegen in dem kleinen Jagstfeld mit 3–400 Einw., jährlich etwa 5–6. „Es kann nur der durch Vererbung konstant gewordene Bau des Beckens, der mit dem allgemeinen Knochenbau zusammenhängt, den Grund einer so enormen Verschiedenheit ausmachen.“
Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Neckarsulm. Kohlhammer, Stuttgart 1881, Seite 697. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OANeckarsulm0697.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)