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Ernst Boger, Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Oehringen

weibliche, Wahnsinnige 5 männliche und 19 weibliche, Trübsinnige 7 weibliche und Blödsinniggewordene 4 männliche und 7 weibliche.

Taubstumme waren es 1853 53 und Blinde 29; im Jahr 1861 Taubstumme 60 und Blinde 19.

Der moralische Charakter ist im Allgemeinen gut; Fleiß und Sparsamkeit sind beinahe allgemein, auch ist das Volk christlich und kirchlich ohne aber für Excentrisches auf diesem Gebiete empfänglich zu sein und jener Hang zum Mystischen und zur Absonderung, der in Alt-Württemberg den Pietismus erzeugt, wird wenig getroffen. Im Allgemeinen ist die religiöse Anschauung des Hohenlohers eine freiere und tolerantere als die des Altwürttembergers. Leben und leben lassen ist der leitende Grundsatz. Indessen darf der Kirchenbesuch, Bescheidenheit und Achtung vor dem geistlichen Amte als eine rühmliche Eigenschaft der Bezirksbewohner angeführt werden. Trotzdem ist der Aberglaube noch groß; Geisterbeschwörungen, Tagewählen, der Glaube an Hexereien und Zaubereien sind keine seltene Erscheinungen.

Die allgemeine menschliche Lust am Besitze findet man stark ausgeprägt; die Erweiterung des Hofes, die Verbesserung des Stalles und hauptsächlich die Vergrößerung der Scheune ist häufig das höchste Ziel. Wird ein Hof irgendwo erledigt, so wird Allem aufgeboten, keinen Fremden hereinzulassen.

Im Allgemeinen herrscht das Majoritätssystem, obwohl es nicht gerade der Älteste ist, der das Gut erhält, zuweilen auch der Jüngste, wenn der Vater selbst noch in rüstigem Alter sich befindet. Die Geschwister werden mit einem Kapital abgefunden und die Eltern erhalten ein Leibgeding, werden aber nicht immer mit der geziemenden Pietät behandelt. Die Vermögensunterschiede bilden feste Rangklassen, deren Schranken bei Heirathen sehr selten überschritten werden. Der sogen. Bauernstolz auf Haus, Hof, Feld und Wald tritt häufig sehr schroff hervor.

Ein Hang zum Prozessiren ist bei den Bewohnern ziemlich bemerklich; es mag dieß in dem aufgeweckteren und schlaueren Charakter derselben, aber ebenso sehr in den Verhältnissen seinen Grund haben.

Die Resultate criminalistischen Verfahrens waren in den 8 Jahren von 1853–61 folgende: im Ganzen 2847 Fälle, was also im Mittel auf das Jahr 356 ausmacht.

Die Lebensweise ist verglichen mit anderen Gegenden des Landes gut zu nennen; es wird neben Kartoffeln, Gemüsen und Mehlspeisen viel selbst geschlachtetes, gesalzenes und geräuchertes Fleisch

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Ernst Boger, Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Oehringen. H. Lindemann, Stuttgart 1865, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAOehringen0039.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)