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Ernst Boger, Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Oehringen

Die Festlichkeiten im Hause der Braut dauern öfters vom Dienstag bis Donnerstag ununterbrochen fort und werden sodann im Hause des neuen Ehemanns bis zum Sonntag fortgesetzt.

Bei Todesfällen kommt es immer noch vor, daß die Bienenstöcke, Blumentöpfe, ja sogar das Vieh in dem Stalle an einen anderen Ort verstellt werden. Der Leichenzug wird von der singenden Schuljugend begleitet, kommt aber die Leiche von einem Filial in die Stadt, so hält der Zug vor dem Thor und wird dort von der Schuljugend empfangen, die einen Vers aus dem Gesangbuch absingt; während des Gesangs nehmen die Männer die Hüte ab. Bevor der Leichenzug eine andere Markung überschreitet, muß die Leiche dreimal niedergesetzt, und bevor sie wieder zum Weitertragen aufgehoben wird, muß der Sarg dreimal gelüpft werden. Nach der Beerdigung finden die Leichentrunke mit den eingeladenen Verwandten und Freunden immer noch in großem Maßstabe Statt.

Unter die in neuerer Zeit bei dem Landvolke herrschend gewordenen, jedoch weniger zuträglichen noblen Passionen gehört die Liebe zur Jagd, zu stattlichen Pferden und Fuhrwerken, zu städtischen Kleidern, Hausgeräthen etc. etc. Daher kommt es auch, daß die frühere nicht unschöne Volkstracht mehr und mehr von der modernen verdrängt wird und aus ihr ein geschmackloses Mittelding zwischen Volkstracht und städtischer Tracht geworden ist. Die Kleidung der Männer besteht aus einem dunklen, meist blauen, nach städtischem Schnitt gefertigten Überrock und tuchenen langen Beinkleidern; dagegen hat sich der dreieckige Hut mit unverhältnißmäßig großer runder, gegen oben etwas spitz zulaufender Schlappe noch erhalten, welch letztere bei Sonnenschein gegen vorn, bei Regen aber gegen hinten herabgeschlagen wird. Bei festlichen Gelegenheiten wird die Spitze nach vorn gerichtet und die Schlappen hinten hoch aufgeschlagen, so daß der Tragende den Hut förmlich balanciren muß um diese monströse Kopfbedeckung im Gleichgewicht zu erhalten. Die schwarze Hutschleife ist an einem stahlblauen, gläsernen Knopf befestigt; bei Leichenbegängnissen haben die Leidtragenden auf der rechten Seite des Huts einen schmalen schwarzen Flor herabhängen. Das weibliche Geschlecht kleidet sich bunt in städtischer Tracht, bei Festlichkeiten aber schwarz oder doch in dunklen Farben; die glatt abfallenden, wenig gefalteten Röcke sind nicht geeignet die Gestalt etwas zu heben. Silberne, zuweilen auch goldene Ohrenringe mit Ohrgehängen werden allgemein getragen. Auch von der weiblichen Tracht hat sich nur noch die Kopfbedeckung aus früherer Zeit erhalten, die man jedoch nur bei

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Ernst Boger, Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Oehringen. H. Lindemann, Stuttgart 1865, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAOehringen0042.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)