Seite:OARottenburg 149.png

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Tages drängte sich der Kaiser wiederholt unter die Kämpfer, hing seinen Schild unter die übrigen auf, und meldete sich zum Kampfe; die Ritter verbaten sich aber die Ehre, um, wie sie sagten, nicht die Schuld zu tragen, wenn K. Majestät etwas zu Leide geschehen möchte. Kaiser Carl IV. bestätigte nicht nur die alten Freyheiten der Grafen und der Stadt, sondern ertheilte denselben 1349 auch noch neue. Die Kaiser Friedrich, Maximilian, Ferdinand hielten sich öfters hier auf. Mehrere Erzherzoge hielten hier ihr Hoflager, oft auf längere Zeit; besonders lebhaft war es hier zur Zeit der Erzherzogin Mechtild, welche ihren Wittwensitz hier hatte. Charakteristisch für diese Zeit ist die Errichtung einer eigenen Herren Trunck- und Zechstube, die ihre Herren und Gesellen aus dem Adel, Geistlichen und Bürgerstande zählte [1]. Diese Gesellschaft hatte ihr eigenes Gebäude, ihr eigenes Geräthe und ihre Knechte. Dagegen mußte täglich ein anderer aus der Gesellschaft Wirth seyn, und durfte sich dessen keiner weigern. Vier Stubenmeister, und dann ein größerer Ausschuß von 12 Mitgliedern hatten das Recht, die Ordnung zu handhaben, Späne zu schlichten, zu strafen und aus der Gesellschaft auszuschließen. Die ersten vom Adel waren Mitglieder, und ihre Namen waren auf einer besondern Tafel verzeichnet, so wie ihre Wappen in den Fenstern der Stube prangten. Erzherzogin Mechtild, Kaiser Maximilian bestätigten nicht nur deren Ordnung, sondern waren selbst Mitglieder der Gesellschaft. Noch findet sich in der königl. Bibliothek zu Stuttgart ein Theil der Wirthstafeln in Holz und mit Wachsguß, worin die Namen mehrerer noch lebender Geschlechter als Gäste mit ihrer Zeche verzeichnet sind. Dieser seltsame Codex wurde schon Anfangs des 16. Jahrhunderts durch einen Rottenburger Bürgermeister, Sigismund Wendelstein, dem Kloster Weingarten geschenkt, von wo er in die königl. Bibliothek kam, und vom Verfasser kürzlich erst als Wirthstafel der Rottenburger Herrenstube erkannt wurde.


  1. Solche Herrenstuben gab es auch in andern Städten, zur Zeit, wo sich alles in Zünfte theilte. A. d. H.
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Johann Daniel Georg von Memminger: Beschreibung des Oberamts Rottenburg. J. G. Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1828, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OARottenburg_149.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)