Seite:OARottweil0019.jpg

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versäumen, noch einmal zurückzusehen nach der Schloßruine, die hier eine vollendet malerische, von üppigen Wäldern umrahmte Ansicht gewährt. In dem Neckar-Thale bei Thalhausen angekommen, wandern wir flußaufwärts und staunen über die hier ausgesprochene seltsame Thalbildung; steile, zum Theil mit Felsen bekrönte, reich bewaldete Gehänge erheben sich kräftig über die schmale Thalsohle, deren lichtes Wiesengrün zwischen dem Dunkelgrün der dichten Nadelwaldungen wie ein zartes, von dem jugendfrischen Neckar durchwirktes Band hinzieht. Nur auf eine kurze Strecke hat das Thal eine etwas gerade Richtung, dann beginnen die scharf konturirten, weit gegen dasselbe vorgreifenden Schmalrücken und freistehenden Hügel, um die sich das Thal in graziösen Bögen windet, von denen die vorspringenden Rücken und die frei gewordenen Hügel mit schön ausgerundeten amphitheatralischen Steilhalden schützend umfangen werden. In der Thalebene liegt einsiedlerisch der Hof Neckarburg, und von den Rückenspitzen, wie auch von den freistehenden Hügeln schauen, die Romantik dieser Partie vermehrend, malerische Ruinen und einzelne, zum Theil noch erhaltene ehemalige Schlösser ernst in das phantastisch gekrümmte Thal herab, dessen tiefe Stille, erst seitdem die Eisenbahn die natürlichen Hindernisse in vier Tunnels durchbrochen und bewältigt hat, von dem dahinbrausenden Bahnzug, doch immer nur auf einige Augenblicke, unterbrochen wird. Weiter thalaufwärts werden die Thalgehänge allmählig etwas niedriger, aber immer noch behält das Thal seinen bisherigen Charakter, bis man endlich ängstlich an der Pulvermühle vorbeigewandert ist und dann bald vom Anblick der hochgelegenen, altehrwürdigen, thürmereichen Stadt Rottweil auf’s angenehmste überrascht wird. Hier ändert sich plötzlich der landschaftliche Charakter, eine Menge Mühlen und andere Werke, hauptsächlich aber der vielen Verkehr bringende Bahnhof lagern sich in dem milder und breiter gewordenen Thale und reges Leben tritt an die Stelle der stillen Abgeschiedenheit. 1

Vom Bahnhof aus führt eine schön angelegte, mit Zierbäumen bepflanzte Straße nach dem freundlich und einladend herabwinkenden Rottweil, das von mehreren Seiten herrliche Ansichten bietet und die landschaftlichen Reize der Umgegend wesentlich erhöht. Die schöne Aussicht, die man von der Stadt, besonders aber von dem Hochthurm aus genießt, wie auch die landschaftliche Umgebung der Stadt werden wir in der Ortsbeschreibung von Rottweil näher ausführen. Von Rottweil nehmen wir unsern Weg nach dem freundlichen Altstadt an der anmuthig gelegenen Ruhe Christi Kapelle vorüber und erfreuen uns auf dem Wege dahin an dem schönen Ausblicke in das Neckar-Thal und an die jenseits desselben nahe herantretenden

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Rottweil. H. Lindemann, Stuttgart 1875, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OARottweil0019.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)