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Faßnachtsspiele etc. aller Art vorkommen und viel getanzt wird, werden namentlich in Rottweil selbst, zum Theil auch auf den Dörfern noch eifrig gepflegt. Am Aschermittwoch wird in einigen Gemeinden noch die Faßnacht feierlich begraben. Tanzbelustigungen kommen an Kirchweihen, Hochzeiten und Märkten häufig vor.

Das früher allgemein übliche Eierlesen an Ostern wird nur in Gößlingen zuweilen noch veranstaltet. Noch vor 50 Jahren wurde allgemein am Johannisfeiertag nach Weihnachten der vom Ortsgeistlichen gesegnete Jahanniswein in der Kirche mit dem Spruch: „Trink die Liebe des hl. Johannes“ ausgetheilt; diese Sitte besteht jetzt nur noch in Böhringen, Lauffen und Zimmern o. R., in den übrigen Orten wird der Johanniswein benedicirt nach Hause genommen und dort getrunken.

Die Hochzeiten werden meist öffentlich und feierlich gehalten. Vor dem Kirchgang versammeln sich die Zeugen und Verwandten mit dem Bräutigam im Hause der Braut, wo man ihnen die sog. Morgensuppe (jetzt meist Kaffee oder irgend ein Getränk) reicht; hierauf bewegt sich der Zug in die Kirche, voran die Braut mit dem Brautführer (Gesellen), ihr folgen der Bräutigam mit dem zweiten Brautführer, sodann die Verwandten und Freunde. Bei Vermöglicheren ist der sog. Vorgang in einigen Orten wie z. B. in Villingen noch üblich, wobei die Ledigen männlichen und weiblichen Geschlechts die Hochzeitsleute in die Kirche und nachher in das Wirthshaus begleiten. An einigen Orten wie z. B. in Dunningen bewegt sich der Hochzeitszug unter Musik in die Kirche und wieder zurück in das Wirthshaus, wo dann die Braut mit dem ersten Brautführer und die Brautjungfer (Gespielin) mit dem zweiten Brautführer den ersten Tanz aufführen. Während des allgemeinen Hochzeittanzes sind besondere Hochzeittänzer aufgestellt, die mit den weiblichen Gästen einigemal tanzen, wenn diese nicht schon mit Tänzern versehen sein sollten; auch singen diese zur weiteren Unterhaltung zuweilen ein lustiges Liedlein. Den letzten Tanz, den sog. Brauttanz, tanzen der Bräutigam mit der Braut und der Brautführer mit der Brautjungfer. Gewöhnlich führt man die Braut nach der Trauung in die Wohnung des Bräutigams, und hierauf findet dann in einem Gasthaus das Hochzeitsmahl statt, wozu auf dem Lande durch persönliches Erscheinen der Brautleute eingeladen wurde. Nach der Mahlzeit und Abends wird getanzt, wobei noch weitere Bekannte erscheinen und dem Brautpaare Geschenke bringen. Die Braut tanzt mit dem Rosenkranznuster (pater noster) in der Hand. Die Hochzeitbelustigungen dauern öfters zwei, zuweilen drei Tage; letzteres ist namentlich in Rottweil der Fall, wobei dann auch Ausflüge in die

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Rottweil. H. Lindemann, Stuttgart 1875, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OARottweil0103.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)