Seite:OARottweil0175.jpg

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Nähe der Auvorstadt oberhalb der jetzigen Spitalmühle bei dem sog. Öschle lag noch eine Art Vorstadt, Angstdorf genannt, nach der die Spitalmühle früher Angstmühle genannt wurde. Die Bewohner dieses Orts begaben sich schon in der Mitte des 15. Jahrhunderts nach Abbrennung ihres Wohnsitzes in die Auvorstadt (s. Ruckgaber S. 32.)

Fassen wir noch einmal die ganze Befestigung der Stadt ins Auge, so ergibt sich uns die eigentliche quadratische, auf allen vier Seiten ummauerte Stadt, auf drei Seiten schützen sie breite Schluchten, und wo diese ausgehen, gegen Westen und an einem ganz schmalen Theil der Ostseite, sind tiefe Gräben angelegt und überdieß diese beiden Punkte durch zwei gewaltige Bollwerke beschirmt, im Osten durch die mit oberer und unterer Mauer umschlossene Vorstadt Au, im Westen durch die eigentliche Citadelle der Stadt, das mit Graben und Doppelmauer umfaßte, zum Hochthurm ansteigende Dreieck. Mit Hilfe der Merian’schen Zeichnung können wir uns noch heute ein Bild von dieser ehemals wohl befestigten, imposanten, mit Thürmen Thoren, Mauern, Gräben etc. reich versehenen Stadt entwerfen. Im Laufe der Zeit, namentlich im gegenwärtigen Jahrhundert, hat die Stadt leider vieles von ihrem altehrwürdigen Schmuck verloren, die Thore mit ihren Thürmen und manche andere Stadtmauerthürme mußten mit Ausnahme des schwarzen Thors und des Bocksthorthurmes fallen, die Fallbrücken, welche über den Stadtgraben führten, sind in feste Brücken verwandelt und der Graben größtentheils ausgefüllt worden. Die Befestigung der Hochbrücken-Vorstadt ist abgegangen und die Auvorstadt ist bis auf wenige Häuser verschwunden. An die Stelle der Bastion beim Hochthurm sind jetzt schattige, mit Ruhebänken versehene Anlagen getreten, die den Rottweilern einen äußerst angenehmen Erholungspunkt mit lieblicher Aussicht gewähren und in neuester Zeit bis herab zum Flötlinsthor erweitert wurden; hier fand auch die schöne spätgothische Brunnensäule, die früher an der Hochbrücke (s. unten) stand, eine sehr passende Aufstellung. Die Stadtmauern sind erniedrigt und ihrer Zinnen, wie auch ihres Umlaufes beraubt worden, theilweise ganz abgegangen, ebenso wurden die Stadtgräben streckenweise eingeebnet. Dennoch hat sich der Charakter einer im Mittelalter wohl befestigten ansehnlichen Stadt nicht ganz vertilgen lassen und immer noch gewährt Rottweil, schon von außen gesehen, ein sehr ansprechendes Bild, das die ehemalige Bedeutung und Befestigung des Orts sichtlich verräth.

Wir gehen nun zurück auf die Hochbrücke, um von hier aus in die Stadt einzutreten, zuvor aber werfen wir noch einen Blick in das von malerischen Mühlen und den imposanten Bahnhofgebäuden

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Rottweil. H. Lindemann, Stuttgart 1875, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OARottweil0175.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)