Seite:OARottweil0219.jpg

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Hier an dieser Stelle, an der sich früher der Befestigungs- und zugleich Wartthurm der Reichsstadt Rottweil erhob, hatten ohne allen Zweifel schon die Römer einen Späheposten, Wachposten angelegt, von dem aus sie die bei ihrem Castrum zusammenlaufenden Heerstraßen überwachen konnten und errichteten deßhalb hier einen den Wegegöttern geweihten Altar[1].

Nachdem wir nun den römischen Straßenknoten bei Rottweil nachgewiesen haben, entsteht zunächst die Frage, wo lag die eigentliche römische Niederlassung? Bis jetzt trug man kein Bedenken, den ehemaligen Römerort bei Hochmauren anzusetzen, weil man dort so ausgedehnte und interessante Spuren von römischen Gebäudesubstructionen etc. zu verschiedenen Zeiten auffand und noch heute das ganze Feld zunächst Hochmauren mit Trümmern von römischen Ziegeln, Gefässen etc. bedeckt ist. Wenn wir aber auf die Sache näher eingehen und alle Momente, welche die Römer bei Anlage ihrer befestigten Niederlassungen (castra) beobachteten, ins Auge fassen, so können wir dieser Ansicht nicht vollständig beipflichten. Die Römer errichteten bekanntlich ihre befestigten Städte nie an Stellen, an denen sie einen Fluß oder ein Thal im Rücken der Niederlassung hatten, sie suchten denselben immer auf der gegen das feindliche Land gerichteten Seite zu haben. Namentlich beobachteten sie dieß im römischen Zehentlande an größeren Flüssen, die mit dem Limes beinahe gleiche Richtung haben, wie z. B. am Neckar, an dem sämtliche größere Niederlassungen, wie bei Rottenburg, Köngen, Cannstatt, Benningen, Wahlheim, Böckingen, Wimpfen etc. sämtlich auf dem linken Ufer angelegt waren und somit den Fluß auf der Seite gegen die Reichsgrenze hatten. Die kriegsfertigen Römer erzielten hiedurch nicht allein verstärkten Schutz gegen die mehr bedrohte Angriffsseite, sondern auch einen mit weniger Terrainhindernissen verbundenen Rückzugsweg.

Ferner wählten sich die Römer bei den Anlagen ihrer Niederlassungen regelmäßig Punkte aus, die entweder über einem nicht zu hohen Thalabhang oder über irgend einer Terrasse lagen, und wenn diese nicht vorhanden waren, dann errichteten sie künstliche Terrassen vor der Niederlassung; man trifft derartige künstliche Terrassen häufig noch an Stellen, wo sogar nur minder bedeutende Niederlassungen bestanden, und nicht selten verrathen sie dem Kundigen heute noch die ehemaligen Wohnplätze dieses Volkes.

Diese beiden Hauptmomente treffen wir nun vereinigt bei


  1. Der Altar ist 3′ hoch, 1′ 1″ breit und wird in der Sammlung des Rottweiler Alterthumsvereins aufbewahrt.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Rottweil. H. Lindemann, Stuttgart 1875, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OARottweil0219.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)