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eingerichtete Cisternen angelegt. Die Luft ist auf der Höhe mild, im Thal auch zur Sommerszeit Abends und Morgens feucht und kalt. Frühlingsfröste schaden häufig den frühen Gewächsen; Nebel gibt es wenig. Hagelschlag trifft selten die Markung, und wenn je vorkommt, nur von Westen her. Dagegen waren die Bewohner von einem Übel anderer Art, dem sog. dreitägigen Fieber, bis vor Kurzem öfter heimgesucht, dessen Ursache nun beseitigt ist. Der Neckar hatte nämlich oberhalb des Berger Wasserhauses sein früheres Bett verlassen und durch den großen Eisgang im Jahr 1784 und die Hochwasser der folgenden Jahre sich ein neues, das in der Nähe von Canstatt beinahe die Landstraße berührt, geschaffen. Das verlassene Bett blieb mehrere Jahre lang sumpfig, und die daraus aufsteigenden, schädlichen Dünste hatten, ungeachtet der bedeutenden Entfernung, in Gaisburg Fieber hervorgerufen, die jedoch wieder aufhörten, als sich durch die Hochwasser späterer Jahre das alte Bett mit Schutt anfüllte. Als man aber im Jahr 1826 dem Neckar mittelst eines Durchstiches sein ehemaliges, von ihm noch jetzt eingenommenes Bett wieder anwies, verwandelte sich das früher 1784 selbst geschaffene, in ein Altwasser, durch dessen Ausdünstung die Wechselfieber in Gaisburg endemisch wurden. Gewöhnlich zu Ende des Frühjahrs entstanden, breiteten sie sich den Sommer und Herbst über immer mehr aus, worauf dann im Winter Nervenfieber folgten. Besonders nachtheilig wirkten die von den Altwassern herziehenden Ostwinde, daher in den Jahren 1834–1837, wo sie vorherrschten, die Krankheit dergestalt überhand nahm, daß auch nicht eine Familie davon verschont blieb, und die epidemische Behandlung der Krankheit in den Jahren 1834–1838 unter Staatsfürsorge fast unausgesetzt statt fand, so daß die zu 2/3 auf die Staatskasse übernommenen Kosten hievon sich auf 3205 fl. beliefen. Hatte gleich die Epidemie eine auffallende Sterblichkeit nicht im Gefolge, so war sie doch von großen Übeln begleitet. Der größere Theil der Bevölkerung kam in seinen Vermögensumständen zurück und körperliche und geistige Abnahme war allgemein bemerkbar. Das Unglück wäre noch größer geworden, wenn nicht in den Jahren 1838–1840 die Altlachen auf den Markungen von Canstatt, Wangen und Gaisburg ausgetrocknet worden wären, worauf theils von diesen Gemeinden, hauptsächlich aber von Seiten des Staats sehr bedeutende Summen verwendet wurden. Seit dieser Zeit verschwanden die Fieber allmählig und kommen gegenwärtig gar nicht mehr vor, so daß sich Gaisburg eines durchaus guten Gesundheitszustandes erfreut, auch ist Sorge getragen, daß in dem, in dem Thale gelegenen als besonders ungesund bekannten Theile des Dorfes keine neuen Wohnungen mehr erbaut werden dürfen.

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Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Stuttgart, Amt. J. B. Müller's Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1851, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAStuttgartAmt_159.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)