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Nachtleichen ausgezeichnet, für welche 1741 anstatt der Fackeln Stocklaternen verordnet wurden. Sie wurden noch 1783 nicht selten in den Kirchen beigesetzt. Die Leichenreden wurden 1751 allgemein verboten. Die Tagleichen wurden noch gegen Ende des verflossenen Jahrhunderts von Frauen und Mädchen begleitet. Nunmehr sind auch die Leichenbegängnisse einfach, und Frauen und Mädchen sieht man nicht mehr im Geleite, wohl aber neuerlich weibliche Dienstboten mit Blumen etc. Gemäß der Leichenordnung vom 20. Januar 1823 bestehen die schon 1741 aufgekommenen Leichenwagen und Leichentücher von verschiedener Abstufung, für deren Benützung dem Armenkasten beziehungsweise 1 fl. bis 7 fl. 36 kr. und 20 kr. bis 16 fl. zu entrichten sind.

Auch von sonstigen Sitten ist nichts mehr hervorzuheben. Das Leben hatte zwar nach der Reformation noch manche Fröhlichkeiten geboten. An Sommer Johanni waren noch 1659 bei Tag die Johannisbäder, Abends die Johannisfeuer ziemlich häufig. Das „Maienstecken“ unter Trommel- und Pfeifen-Schall geschah noch 1665. In der Fastnacht, noch 1620, zogen die Gesellen der Handwerke und, einen eigens gefertigten Rebstock voran, die jungen Weingärtner mit Saitenspiel durch die Straßen, um bei den Kunden und Bauleuten „das Küchlein“ zu holen. In den Christfeiertagen sangen und musicirten noch 1650 die Präceptoren und Musiker der Stiftskirche vor den Häusern, und noch 1725 erhielten arme Frauen die Erlaubniß, vor denselben Nachts geistliche Lieder zu singen. Alles Dieses hat längst aufgehört.

C. Merkwürdige Eingeborene.

In Stuttgart geboren sind folgende Männer, welche sich im Leben hervorgethan oder durch Leistungen in Wissenschaft und Kunst einen Namen gemacht haben:

Joh. Lorcher, geb. um 1460, Canzler des Grafen Eberhard d. j.

Heinr. Lorcher, studirt 1477 in Tübingen, stirbt 29. Aug. 1520 als Landschreiber; bekannt aus der Geschichte jener Zeit.

Jac. Rinmann, starb um 1520, schrieb eine, die Zeit von 1481–1520 umfassende Chronik.

Joh. Alex. Brassicanus (Kölburger) wurde 1524 als Prof. des Civilrechts an die Univ. Wien berufen. Er gab 1527 einige Schriften des Lucianos von Samosata in lat. Übersetzung heraus u. starb 1539.

Mart. Borrhaus (Keller), geb. 1499, studirte in Tüb. und Wittenberg, wird Wiedertäufer, 1542 Prof. d. Theologie in Basel, starb 11. Oct. 1564 an der Pest. Guter Sprachkenner durch Reuchlin, u. Theolog.

Joh. Feßler, geb. 1502, stud. d. Rechte, 1550 würt. Canzler, starb den 22. März 1572, ausgezeichnet als Mensch und Staatsmann.

Lud. Grempp, geb. 1509, stud. d. Rechte in Tüb. u. Ingolstadt, würt. Rath u. 1541 Syndicus der Stadt Straßburg, starb 1581, vermachte der Univers. Tüb. seine Bibliothek u. 18.000 fl.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Moser: Beschreibung des Stadtdirections-Bezirkes Stuttgart. Eduard Hallberger, Stuttgart 1856, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAStuttgartStadt0099.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)