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führten, faßte einige tausend Menschen; denn er war 201′ lang, 71′ breit. Von jenen 51′ kamen 20′ auf das Tonnen-Gewölbe, welches – von keiner Säule getragen – ein kunstreiches Hängewerk und vortreffliche Gemälde von den ersten Künstlern Deutschlands hatte: die Erschaffung Himmels und der Erde, den Sündenfall, das Reich Christi und das jüngste Gericht mit Himmel und Hölle darstellend, 200′ lang und 30′ breit[1]. Unterhalb des Gewölbes, bis zur Mauer herab, waren zwölf württembergische Landstädte, mehrere lustige Landschaften und Jagden mit wohlgetroffenen Personen abgebildet, worauf 26 Porträts fürstlicher Räthe und Diener kamen[2]. An den Wänden hiengen 20 Tafeln der Forstbezirke des Landes, wie sie Dr. Georg Gadner von 1582–1599 gezeichnet und gemalt; sodann oben und unten die von J. B. Braun von Ulm gemalten lebensgroßen Bilder des Bauherrn und seiner beiden Gemahlinnen und die in Wachs poussirten Bilder Herzog Friedrichs I. und dessen Gemahlin. Über den Thüren waren zwei verborgene Gemächer, in welchen Musik gemacht wurde, wenn sie nicht gesehen werden sollte, worin Orgeln, deren eine von selbst spielte. Dieser schöne Saal, der an Größe seines Gleichen in Deutschland nicht fand, war auch in akustischer Hinsicht so tadellos, daß, wer sein Ohr in die eine Ecke hielt, alle Worte deutlich hören konnte, die ein Anderer in der schräg gegenüberliegenden weit entfernten Ecke mit gewöhnlicher Stimme sprach. In demselben sind die unten zu erwähnenden prachtvollen Ballette und ersten Singspiele gehalten worden; sowie auch (noch 1609) die „dem ersten Handstreich“ oder der Verlobung nachgefolgte, der feierlichen Vermählung aber vorangegangene Beschlagung der Decke (ein Rechts-Symbol der altdeutschen Probezeit) bei fürstlichen Hochzeiten hier geschah[3]. Auf dem Gipfel des Daches waren die Wappen des Bauherrn und seiner Gemahlinnen angebracht, über jedem ein Engel schwebend, von da abwärts auf Giebelstufen steinerne Hirsche. An jeder Ecke


  1. Auf Leinwand gemalt von Wendel Dieterlen, Bürger zu Straßburg, gestorben 1599 im 49. Jahre, Verfasser einiger architectonischer Schriften. Seine Belohnung war 1650 fl.
  2. Gemalt 1590 von Hofmaler Hans Steiner, Hans Karg von Augsburg, Hans Dorn von Kirchen, And. Herreneisen von Nürnberg, Jacob Zieberlen von Tübingen, Peter Riedlinger von Eßlingen, Sebastian Ramminger und Gabriel Dachs, beide von Stuttgart, und Philipp Greter. Sie erhielten 5200 fl. – Von wem die Bildhauerarbeiten sind, ist nicht zu finden; ob von Simon Schleer?
  3. Auch bei dem Hofadel ging noch 1555 der „Ehebestätigung“ das „Zusammengeben“ mit Deckebeschlagung voran. Diese sogen. „Untertrau“ bestand im Oldenburg’schen bis in die neueste Zeit.
Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Moser: Beschreibung des Stadtdirections-Bezirkes Stuttgart. Eduard Hallberger, Stuttgart 1856, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAStuttgartStadt0122.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)