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mit einem Thurme, der seit 1564 Glocken hatte, versehen. Außer den Thor-Thürmen werden noch die drei Gefängniß-Thürme zwischen dem oberen und neuen Thor in der Nähe der Vogtei genannt; der eine hatte einen Kerker ohne Licht und Luft, in welchen man nur mit Hilfe eines Haspels gelangte, der zweite enthielt die sogenannte „Katze“ und der dritte, nur für Weiber bestimmte, das „Frauenkätzlen“. Die Zwinger und Gräben waren, die Gegend um das Schloß ausgenommen, Eigenthum der Stadt und dienten schon im 16. Jahrhundert zu Gärten, Fischbehältern und verschiedenen öconomischen Zwecken. Der sogenannte große oder Linden-Graben, d. h. der obere Theil der Königs-Straße, war 50′ breit; von geringerer Breite war der kleine Graben oder die jetzige Eberhards-Straße. Außer den genannten Thorbrücken bestanden in früheren Zeiten keine Verbindungen mit den Vorstädten, mit Ausnahme der sogenannten neuen Brücke vom Lindengraben in die Hirsch-Straße, welche 1747 angelegt ward. 1

Von den Vorstädten schloß sich südlich die 1350 erstmals erwähnte Eßlinger- oder St. Leonhards-Vorstadt an. Obgleich die Capelle zu St. Leonhard (die unten zu beschreibende nachmalige St. Leonhardskirche mit ihrem erst 1805 geschlossenen Gottesacker) derselben den Namen gegeben, so war die Capelle doch noch 1384 von Gärten, Äckern und Wiesen umgeben, indeß schon 1350 die Judengasse und Judenschule erwähnt werden. Die Bevölkerung dieser Vorstadt nahm hauptsächlich durch den Krieg mit den Reichsstädten zu, der die umwohnenden Landleute einen besseren Schutz aufsuchen hieß, und wuchs seit Mitte des 15. Jahrhunderts immer mehr an. Hier stand das der Gerberzunft gemeinschaftliche Ledergerberhaus und das schon 1480 erwähnte Schlachthaus. In der nachmaligen Schönfarbe, wo zuvor die v. Sperberseck saßen, befand sich noch 1520 die herrschaftliche Mange. Zunächst vor dem inneren Eßlinger Thor, an dem Nesenbach, war der Gießhübel angebracht: ein Kasten, durch dessen Fallthüre man Felddiebe etc. ins Wasser sprengte, um sie nach einiger Zeit wieder hervorzuziehen. Vor einem der Thore, das hievon den Namen erhielt, lag die „Hauptstatt“, d. h. der Platz zum Enthaupten, wo noch in diesem Jahrhundert das runde ummauerte Schaffot, der sogenannte „Käs“, zu sehen war. Bei dem Hauptstätter Thore stand das städtische Ordonnanzhaus und vor demselben das 1572 erbaute, nun zum Armenhaus eingerichtete Lazareth, neben welchem der schon 1564 angelegte, 1833 geschlossene Lazareth-Kirchhof lag. Die Strafen des Hängens, Räderns und Verbrennens wurden anfänglich auf dem Scheielberg in den Eßlinger Bergen vollzogen,

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Rudolph Moser: Beschreibung des Stadtdirections-Bezirkes Stuttgart. Eduard Hallberger, Stuttgart 1856, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAStuttgartStadt0132.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)