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Versammlungssaal, der jetzt der Kammer der Standesherren eingeräumt ist. Im Hofe stand noch zu Anfang unseres Jahrhunderts die Landschaftsküche, aus welcher die Ausschußmitglieder gespeist wurden; in den Nebengebäuden wohnten die landschaftlichen Einnehmer, Consulenten und Secretäre, und waren Stallungen für ihre Pferde. In dem jetzigen Cameral-Amts-Gebäude (Linden-Straße) war die Kastkellerei und in der Nähe des Bauhofes, wo sich jetzt die 1834 erbaute Realschule befindet, die Heuwage und eine Zehentscheuer. Unmittelbar vor dem Tunzhofer- oder Siechen-Thor, vor welchem vor 1476 ein sogenanntes Steinhaus lag, befand sich bis 1791 das mit einer Mauer umfangene Siechenhaus mit seiner 1452 erbauten Heiligkreuz-Capelle. Das Bettel- oder Seel-Haus stand vor dem Seel-Thor, in dem nachmaligen Gasthaus zum gelben Hause, bis das Siechen-Haus mit dem Seel-Hause 1791 in das frühere Gasthaus zur Rose vor dem Hauptstädter Thor verlegt wurde. Vor dem Siechen-Thore befand sich der (erste) herrschaftliche Küchen-Garten; vor dem Büchsen-Thore, nahe bei dem damals kirchenräthlichen Holz-Garten, lagen die herrschaftlichen Werkhäuser und die 1763 angelegte, neuerlich fast ganz eingegangene, Stadt-Allee. Auf einer Anhöhe bei der Brag stand bis 1788 der 1597 errichtete, 35′ hohe, eiserne Galgen, an welchem von 1593–1606 vier vorgebliche Goldmacher aufgehenkt wurden, und auch der Jude Süß Oppenheimer 1738 endigte. 1

Mit dem Bau der Vorstadt-Mauern, welche gleichfalls Umgänge und Brustwehren hatten, wurde zwar schon 1448 an der Eßlinger Vorstadt begonnen; vollendet aber war die Ummauerung beider Vorstädte erst 1567, wo sich hinsichtlich der Kosten dahin vertragen wurde, daß die Herrschaft, die Stadt und das Amt je gewisse Bezirke übernahmen. Die Haupt-Thore[1] der Eßlinger Vorstadt waren: gegen Osten das äußere Eßlinger Thor, bei dem jetzigen Gebäude des Kriegs-Ministeriums, gegen Süd-Westen das Hauptstädter Thor, bei der Einmündung des Wilhelms-Platzes, beide 1478 erbaut, und als Neben-Thor gegen Süden das 1564 errichtete Lazareth-Thor. Das Academie-Thor in der jetzigen Neckar-Straße war erst 1793 errichtet und als Canstatter Thor 1806 weiter hinab unter das jetzige Bibliothek-Gebäude versetzt worden. Die Turnier-Acker-Vorstadt hatte sechs Thore: das 1490 erbaute


  1. Graf Eberhard im Bart hatte die Absicht, beide Vorstädte mit zwölf nach den Aposteln zu benennenden und mit deren Bildnissen zu zierenden Thoren zu schmücken. Doch erhielten nur das Siechen-Thor das Bild von Petrus und das untere See-Thor das von Paulus.
Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Moser: Beschreibung des Stadtdirections-Bezirkes Stuttgart. Eduard Hallberger, Stuttgart 1856, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAStuttgartStadt0135.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)