Seite:OAStuttgartStadt0183.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

abgetragen. Der um vier Stufen vom Boden der Schiffe erhöhte Chor, zu dem man durch den sehr hohen, auf fünfseitigen Halb-Pfeilern ansetzenden, einfach gegliederten Triumph-Bogen gelangt, ist südlich aus der Axe gerückt und im Achteck abgeschlossen. Seine jetzigen Gewölbe sind den ursprünglichen alten von Holz nachgebildet. Ein kleines Thürchen mit gedrücktem Bogen führt vom Chor in die Sacristei, welche ursprünglich aus zwei hohen Kreuz-Gewölben mit Gurten und Schluß-Steinen bestand, später aber noch zwei dazwischen gespannte Stern-Gewölbe und einen Chor-Schluß mit Netzgewölben erhielt. Den großen Thurm tragen zwei bedeutend stärkere, reicher als die übrigen gegliederte, Pfeiler.

Die an den vierten nördlichen Pfeiler des Mittel-Schiffs angelehnte steinerne Kanzel (die Abbildung bei Heideloff S. 21) zeichnet sich durch ihren reichen und geschmackvollen architektonischen und bildnerischen Schmuck aus. Auf ihrem sechsseitigen, mehrfach sternförmig über’s Eck gesetzten Fuß, windet sich spiralförmig der Schaft in die Höhe, auf dessen durchbrochenem Knauf ein oben sich erweiternder Aufsatz sich erhebt, der nach Außen in einen Kranz von geschweiften Spitz-Bögen mit Krappen und Kreuz-Blumen geschmückt und von wechselndem Maßwerk durchflochten, als Fuß-Gesims der Brüstungen ausladet. Diese letzteren bestehen aus vier, durch zierliches Stabwerk von einander getrennten Nischen, in denen die Figuren der vier Evangelisten in halb erhabener Arbeit und trefflicher technischer Behandlung angebracht sind. Das Geländer der Treppen ist mit durchbrochenem, das des Treppen-Bodens mit Blenden-Maßwerk verziert. Der eben so reiche als geschmackvoll im Styl der Kanzel gehaltene Schall-Deckel ist neu und wurde nach den Zeichnungen des Professors C. Heideloff ausgeführt.

Unter den Monumenten der Kirche ist wohl das steinerne Grab-Denkmal des Grafen Ulrich mit dem Daumen, der als Gründer des (gleichwohl älteren) Stiftes Beutelsbach angesehen wird, und seiner Gemahlin Agnes, Herzogin von Liegnitz (Abbildung bei Heideloff VI.), das interessanteste. Es gehört zu den ältesten schwäbischen Grab-Monumenten und dürfte nicht sehr lange nach dem (1265 erfolgten) Tod des gräflichen Ehepaars gefertigt worden sein. Von Graf Eberhard dem Erlauchten 1321 in dem Chor der Stifts-Kirche aufgestellt, hat es im Verlaufe der Zeit bedeutende Verstümmelungen erlitten. Die beinahe ganz freien Figuren sind in Lebens-Größe ausgeführt, und waren früher, wie man noch deutlich erkennen kann, bemalt. Ulrich, dessen Füße auf zwei Löwen, als dem Symbol des Heldenmuths, ruhen, ist in den langen Waffenrock gekleidet und mit dem cingulum

Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Moser: Beschreibung des Stadtdirections-Bezirkes Stuttgart. Eduard Hallberger, Stuttgart 1856, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAStuttgartStadt0183.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)