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der letztere kommt fast blos bei Wirthen und Metzgern vor. Das Bier verbreitet sich wie überall mehr und mehr, wofür 7 Bierbrauereien auf dem Lande zeugen, wird aber den Most nie verdrängen, so lange der Feldbau den vorherrschenden Beruf bildet. Eine größere Zukunft hat der Kaffee, freilich ein Getränke, in welchem weder Mokka noch Java merklich vertreten ist. In sehr vielen Familien gibt er den Stoff oder wenigstens den Namen zu zwei Mahlzeiten – Frühstück und Abendessen.

Ehe wir zur Schilderung der sittlichen Eigenschaften übergehen, müssen wir uns den vorherrschenden Beruf und die Vermögensverhältnisse vergegenwärtigen.

Von den 30 Gemeinden des Bezirks leben 22 fast ausschließlich vom Feldbau. Das kleine Gewerbe (Maurer, Zimmerleute) ist nur in sechs Gemeinden stark vertreten, in Pliezhausen, welches seine Söhne in größere Fernen sendet, in Rübgarten, Dettenhausen, Hagelloch, Lustnau, Derendingen, welch’ letztere 3 vorzugsweise in der nahen Stadt ihre Beschäftigung finden. – Den Handel vertritt fast ausschließlich das entlegene Gönningen.

Die Vermögensverhältnisse des Bezirks sind durchaus mittlere. Als eigentlich wohlhabende Gemeinden sind nur 3 zu nennen; Weilheim, Wankheim, Mähringen. Viele sehr wohlhabende Bauern zählen Kusterdingen, Jettenburg, Immenhausen, Kilchberg, Dußlingen, Nehren. Dagegen sind auch nur 3 unbemittelte Gemeinden vorhanden: Dettenhausen, Rübgarten, Hagelloch, welch’ letzteres sich in den verflossenen guten Jahren wacker emporgearbeitet hat.

Das Charakterbild des Bezirks kann sonach nur dem mäßig bemittelten Bauernstande, wie er sich nun einmal in Schwaben darbietet, entnommen werden.

Die Arbeitslust und Sparsamkeit, diese Grundzüge des schwäbischen Bauern, sind auch hier unbestritten, finden aber doch einiges Gegengewicht in einem mehr zur Heiterkeit und sinnlichen Genußsucht hinneigenden Temperament. Das düstre trockene Wesen, die ängstliche Kargheit des Unterländers ist hier zu Lande entschieden nicht zu Hause. Am nächsten kommen diesem noch die Bewohner der Liasebene zur Linken des Neckars, des sogenannten Walddorfer Amts, weit weniger die aufgeweckteren regsameren Bewohner des Unteramtes. Im allgemeinen findet wohl aus demselben Grunde der Pietismus einen minder günstigen Boden im Bezirk. Und selbst dieser, wo er sich eingenistet hat, wo er vielleicht gehegt und gepflegt wird, zeigt eine minder schroffe Außenseite, er bleibt, wie sich ein geistreicher

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_115.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)