Seite:OATuebingen 206.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

der jetzt das Kameralamtsgebäude auf der Kuppe trägt, war ohne Zweifel ursprünglich ein Vorwerk, später der befestigte Frohnhof der Pfalzgrafen von Tübingen; gegen Osten wurde er mittelst eines künstlichen tiefen Grabens von dem übrigen Terrain (Ausläufer des Österbergs) abgeschnitten, um die ursprüngliche Stadt auf der Ostseite noch unzugänglicher zu machen. Dieser Befestigungsgraben, wofür wir ihn offenbar ansehen müssen, wurde später noch tiefer geführt und ein Theil der Ammer hindurchgeleitet, nicht aber, wie allgemein angenommen wird, wegen der Durchführung des Ammerkanals ausschließlich angelegt.

Der eine Stunde lange Kanal wurde zwischen 1440–55 gegraben; den Bau bestritt die Stadt mit ihrem eigenen Gelde, weßhalb ihr auch Graf Ulrich von Württemberg als Vormund seiner Neffen Ludwig und Eberhard 1455 die Benützung der Ammer von Schwärzloch bis zu ihrem jetzigen Ausfluß zusicherte, besonders auch den Betrieb der Mühlen „in dem neuen Graben, so sie von der Stadt gegen den Österberg hin gemacht haben.“ Dieses Werk machte auch einen Neubau des betreffenden Theils der Stadtmauer nöthig und das Neckarthor wurde bis zum Kanal hinaus versetzt. – Das ursprüngliche Tübingen war nach Obigem im Westen durch die Pfalz, im Osten mittelst eines Vorwerks und zwei tiefer Gräben (Ammerkanalgraben und Graben an der Stadtkirche), an der Süd- und Nordseite aber durch die steilen Abhänge, an denen oben die Stadtmauer hinzog, theils natürlich, theils künstlich sehr fest und unzugänglich.

In sehr früher Zeit erweiterte sich die Stadt an der Nordseite gegen die Haggasse[1] und von dort gegen den Brühl hinab an beiden Seiten der Ammer. Die St. Jakobskirche (Spitalkirche), früher eine Kapelle, stand vermuthlich längere Zeit außerhalb der Stadt auf dem Begräbnißplatz, bis sich auch in ihrer Nähe Gebäude, namentlich auch die des Spitals erhoben; übrigens trägt der zunächst der St. Jakobskirche, besonders der an ihr westlich gelegene Stadttheil stets das Gepräge eines Dorfs und mag wohl, wie noch heut zu Tage, mehr der Acker- und Weinbau treibenden Bevölkerung als Wohnstätte gedient haben. In der Nähe des Spitals entstanden sofort viele Gebäude, z. B. das Kornhaus, ferner ein namhafter Theil der Stadt, welcher nebst dem alten Rathhaus 1280 abbrannte und


  1. Die Gegend „unter dem Hage“ wird schon genannt in einer Urkunde von 1323 bei Schmid Pfalzgrafen, Urkunden 126 (Hack = Hain, der sonach auf der Nordseite des Schlosses bestanden hatte).
Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_206.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)