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weiter bis an die nordwestliche Ecke der Stadt; bevor sie diese erreicht, ist sie etwas gekrümmt angelegt, vermuthlich nach dem ursprünglichen Lauf der Ammer sich richtend. Bei der nordwestlichen Ecke in einem spitzen Winkel abbrechend, führt sie an der Westseite der Stadt bis an die Kunstmühle, wo sie eine sogenannte Stelze bildet, weiter an das Hagthor und in ihrer Verlängerung bis an die Nordseite des Schlosses; somit schloß sich die Stadt, wie früher das ursprüngliche Bergstädtchen, an die Befestigung des Schlosses an und war von diesem wohl geschützt.

An der Stadtmauer und an dem Zwinger standen feste Thürme, von denen sich folgende noch erhalten haben: der nur theilweise noch vorhandene Diebsthurm zunächst dem Hirschauer Thor, der sogenannte Hölderlinsthurm an der Südseite der Stadt, welchen der unglückliche Dichter Hölderlin längere Zeit bewohnte, und ein Thurm an der südöstlichen Ecke der Stadtmauer am Neckarthor. Abgegangen sind: ein Thurm an der Südseite, einer an der Nordseite, der sogenannte Sauthurm an der nordwestlichen Ecke der Stadt und einer an der Kunstmühle. Überdieß erhoben sich starke Thürme über den Thoren, die ursprünglich Doppelthore waren und theils Anfangs, theils in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts abgebrochen wurden. Die Thore der Stadt waren seit früher Zeit und sind noch jetzt folgende: das Hirschauer Thor an der südwestlichen Ecke der Stadt, das Neckarthor an der nordwestlichen Stadtecke, das Lustnauer Thor an der Ostseite, das Schmidthor an der Nordseite und das Hagthor an der Westseite der Stadt; von ihnen ist das Neckarthor Anfangs dieses Jahrhunderts, die übrigen sind von der Mitte der 20ger Jahre bis zum Jahr 1830 abgebrochen worden. An ihre Stelle traten Gatterthore, die aber seit der Aufhebung des Thorgeldes auch gefallen sind, so daß die Thore nur dem Namen nach noch bestehen.

Im allgemeinen trägt das innerhalb der Mauern gelegene Tübingen noch das echte Gepräge einer im Mittelalter wohl befestigten ansehnlichen Stadt und macht auch von Außen betrachtet diesen Eindruck, den wir in Verbindung mit der die Stadt umgebenden herrlichen Landschaft und freundlichen Gartenanlagen einen sehr malerischen nennen dürfen.

Ganz andere Physiognomien bieten die Vorstädte, welche im Laufe dieses Jahrhunderts entstanden und mit ihren modern städtischen Anlagen einen schroffen Gegensatz mit der Altstadt hervorrufen. Vor dem Lustnauer Thor entstand allmählig, seit 1818, die schön und breit angelegte, lang gedehnte Wilhelmsstraße, zugleich Landstraße

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_208.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)