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Quer vor den Chor, gerade über dem Altare, stellt sich der im reichsten und spätesten gothischen Geschmack gehaltene steinerne Lettner, vorn von vier mit Statuen besetzten Pfeilern getragen, innen netzgewölbt mit schönen Schlußsteinen. Die Statuen wurden theilweise neu gefertigt, die Gewölbe reich bemalt mit Blumenranken auf blauem Grunde.

Der Taufstein und die steinerne Kanzel, in sehr reichem und schwungvollem Stile gehalten, sind ohne Zweifel von demselben Meister gearbeitet; am Taufstein steht 1649, er wurde aber schon 1497 von der Familie Bräuning gestiftet. Um die Brüstung der Kanzel stehen in Relief die ausdrucksvollen Gestalten der vier Evangelisten und der Maria; die mit schön durchbrochenem Geländer versehene Treppe wird von der Figur des Steinmetzen unterstützt. Der schlanke Schalldeckel ist von Holz, ebenfalls spätgothisch und von trefflicher Arbeit.

Der Altar, von schönem altem Eisengitter umgeben, wurde neu hergestellt und zwar als sehr reicher steinerner Tisch im Geschmack der Kanzel. Die harthölzernen Chorstühle von ausgezeichnetem Stil, und noch aus der guten gothischen Zeit stammend, stehen jetzt sämtlich im Westen der Kirche und sind mit den Brustbildern der alten Propheten, Patriarchen u. s. w. und mit herrlichem kraftvollem Laubwerk geschmückt; die neuen Bänke wurden auch in ansprechendem gothischen Stile verfertigt, deßgleichen die im Süden, Westen und Norden hinziehenden Emporen, so daß jetzt in der Kirche Alles auf das Schönste zusammenstimmt.

Der einschiffige Chor, durch ein schmiedeisernes Gitter abgeschlossen, bildet den würdigsten Abschluß. Herrlich leuchten die drei hohen Glasfenster; sein reiches Netzgewölbe, aus Säulchen, an denen unten umher die lebensgroßen Gestalten der 12 Apostel stehen, hervorwachsend, strebt in schönen Schlußsteinen zusammen und ein wahrhaft ergreifender Anblick sind jene Reihen von Grabmälern, die den ganzen Boden des Chors bedecken, wo auf prachtvollen, von Löwen getragenen Grabplatten die edlen Steinbilder, die Hände gefaltet, in heiligem Frieden schlummern.

Auf den Schlußsteinen sind dargestellt ein Engel, einen Schild mit dem Georgenkreuz haltend, das Wappen von Württemberg und Mantua, S. Georg, Maria mit dem Kinde und um diese reihen sich an den nächsten Knoten des Gewölbes vier Engelchen. Das ganze Chorgewölbe war einst farbig und wurde jetzt wieder unter der Leitung des Bauinspektors Kapff prachtvoll bemalt mit goldenen Blumen

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_221.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)