Seite:OATuebingen 236.png

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des Innern stützen. Dieses Gewölbe ist noch durchaus trefflich bemalt mit Flammen und Blumen und enthält auf seinen schönen Schlußsteinen einen Engel, das Tübinger Wappen haltend, einen Engel, das herzogl. württemb. Wappen haltend, den h. Jacobus d. Ä., den h. Urban, den h. Mattheus und Maria mit dem Kinde. An den Wänden des Chors und des Langhauses hängen viele gemalte Epitaphien aus der Renaissance-Zeit, das wichtigste links im Chore vom Jahr 1542, von der Form eines Flügelaltars; der Boden ist mit meist ausgetretenen Grabplatten bedeckt, darunter einige von bayerischen Offizieren aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges. Zu bemerken ist das steinerne Grabmal an der nördlichen Wand des Langhauses, Mann und Frau in Klostertracht mit der Inschrift: Anno 1504 starb der erbar mann ludwig … Die hübsche gothische Orgel, sowie die Kanzel ist neu; Taufstein besitzt die Kirche keinen, weil sie nur den Rang einer Kapelle hat. An der westlichen Wand stehen gutgeschnitzte spätgothische Chorstühle. An der östlichen Wand des Langhauses ist links vom spitzbogigen Triumphbogen eine räthselhafte, hastig bewegte Relieffigur eingemauert, leider bis zur Unkenntlichkeit übertüncht. Außen am jetzigen Chor sind auch verschiedene Steine mit rohem romanischem Bildwerk, vom früheren Chor herrührend, eingesetzt, darunter an der Südseite eine Sonne mit Händen, an altegyptische Symbole erinnernd; an der Ostwand des Chores ein uraltes Kreuzpartikel über einer kleinen Rundbogenlünette und an der Nordseite des Langhauses das kleine Relief eines Bockes. Auf dem Westgiebel erhebt sich ein hölzerner Dachreiter. An den Chor ist südlich die kleine netzgewölbte Sacristei angebaut. Im Jahr 1799 wurde die Kirche in ein Kriegsmagazin verwandelt und ihr Gottesdienst auf die Frühstunden in die Stiftskirche verlegt. Der Platz südlich vor der Kirche war früher Friedhof; hier stand eine uralte Kapelle, die in den vierziger Jahren abgebrochen wurde, und das Steinbild des h. Jacobus auf einer Opfersäule mit der Jahreszahl 1517. Die Kapelle diente von 1593 an lange Zeit als Anatomiegebäude und wurde hiedurch die Schule weltberühmter Anatomen und Physiologen, wie eines Albrecht von Haller etc.

2. Die Spitalgebäude in der Schmiedthorgasse wurden nach dem Brande von 1530 wieder neu aufgebaut und zu Ende des vorigen und Anfangs des gegenwärtigen Jahrhunderts durchgreifend erneuert; sie bestehen aus dem massiven Wohnhaus mit hölzernem Thürmchen (Dachreiter), das mit verschiedenen ausgedehnten Ökonomiegebäuden (Fruchtkasten, 2 Scheunen und Farrenstall) einen namhaften

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_236.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)