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weder ihn zu halten, noch für den von ihm eingeführten Unterricht im Griechischen einen anderen Lehrer zu gewinnen. Erst vier Jahre später berief die österreichische Regierung den berühmten Johannes Reuchlin, der aber, bereits alt und kränklich, der Universität wenig mehr nützte und, ohne sein Lehramt wirklich angetreten zu haben, starb.

Die Reformation, welche 1534 auf Befehl Herzog Ulrichs eingeführt wurde, fand zunächst keinen großen Anklang. Der größte Theil der Professoren bestand aus Anhängern des alten Systems, welche sich widerstrebend der Neuerung fügten oder entlassen wurden. Die theologische Fakultät mußte ganz neu geschaffen werden, aber eben damit wollte es nicht gelingen. Der herzogliche Regierungskommissär Ambrosius Blaurer war kein gelehrter Theologe, welcher Autorität hätte üben können, und es fehlte an einem Haupte, dessen Ansehen sich die neu Angestellten gefügt hätten, und das den Vertretern der neuen Lehre eine Bürgschaft gegeben hätte. Wiederholte Versuche, Melanchthon zu gewinnen und ihn zu bewegen, nur auf einige Jahre nach Tübingen zu kommen, schlugen fehl. Der Lutheraner Joh. Brenz, der 1537 berufen wurde, machte sich eifrig an’s Werk der Neugestaltung der Universität, aber fand so viele Schwierigkeiten, daß er nach Ablauf eines Jahres Tübingen wieder verließ. Mit etwas besserem Erfolg versuchte es der erste Generalsuperintendent für Württemberg, Erhard Schnepf, der die Reformation im württembergischen Unterlande durchgeführt hatte, und 1544 die erste theologische Professur in Tübingen übernahm, aber 1548 durch das Interim vertrieben wurde. In anderen Fakultäten hatte die Universität mehr Glück; so gelang es 1535, den Juristen Johann Sichard zu berufen, und in demselben Jahre den Mediciner Leonhard Fuchs, einen der bedeutendsten Männer seines Faches in jener Zeit, dessen anatomische und botanische Werke Epoche machten.

So wenig auch Anfangs die Reform der Universität im Geiste der neuen Theologie gelingen wollte, so wurde doch die Reformation Veranlassung zu Gründung eines Instituts, das auf mehrere Jahrhunderte Tübingen sein eigenthümliches Gepräge verliehen hat. Es ist dieß das evangelische Seminar, gewöhnlich Stift genannt, das 1536 nach dem Muster einer ähnlichen Anstalt in Marburg gegründet wurde. Die dürftigen Anfänge ließen seine weittragende Bedeutung nicht ahnen; aber als es später durch Herzog Christoph reichlich fundirt, durch vorbereitende Klosterschulen unterstützt, 1557 auf 100 Zöglinge erweitert war, nahm die Anstalt einen glänzenden

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_281.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)