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Aufschwung und wurde die Bildungsstätte zahlreicher tüchtiger Geistlichen und Lehrer und mancher berühmten Vertreter theologischer und philosophischer Wissenschaft.[1]

In Folge der Reformation gewann die Universität eine namhafte Vermehrung ihrer Einkünfte. Die Pfründen mehrerer Pfarreien wurden ihr 1536 zugewiesen, und ihre Einnahmen steigerten sich etwa auf das Fünffache, kamen aber keineswegs ganz den Universitätszwecken zu gut, da mehr als ein Drittheil durch Verwaltungskosten und die auf den Gütern haftenden Lasten verschlungen wurden.

Die theologische Fakultät, deren Gedeihen unmittelbar nach Einführung der Reformation so zweifelhaft schien, wurde schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine gewichtige Vertreterin, ja Vorkämpferin protestantischer Orthodoxie. Ihr gehörte jener Jakob Andreä, der Vater der Concordienformel, an, der im Tübinger Seminar gebildet, schon als junger Geistlicher bei Religionsgesprächen eine wichtige Rolle spielte und 1562–1590 Kanzler der Universität war. Ihm stand ein anderer Württemberger, Jakob Heerbrand, zur Seite, der zuerst die neue protestantische Dogmatik in ein wissenschaftliches System brachte und ein Lehrbuch schrieb, nach welchem auf den meisten protestantischen Universitäten gelesen wurde, und das von einem anderen Tübinger Professor, Martin Crusius, in’s Griechische übersetzt, sogar seinen Weg in den Orient fand. Martin Crusius war von 1559–1607 eine der Berühmtheiten Tübingens. In Kenntniß der griechischen Sprache einer der Ersten seiner Zeit, hatte er in seinen Vorlesungen über Homer solchen Zulauf, daß keiner der damaligen Hörsäle die Zahl seiner Zuhörer fassen konnte. Sein Ruf zog auch viele Ausländer herbei, manche gelehrte Griechen kamen nach Tübingen, um ihn kennen zu lernen und ihm Schätze griechischer Literatur mitzutheilen. Von seinem Fleiß und seiner Belesenheit geben seine reichhaltigen Tagebücher und Excerpte, die noch


  1. Auch als Staatsmänner sind einzelne Stipendiaten, ausstudirte Theologen, hoch gestiegen, Beispiele aus den im vorigen Jahrhundert gebildeten: Georg Bernh. Bilfinger † 1750 als württemb. Geheimerrath; Philipp Eberh. Zech, in den Freiherrnstand erhoben 1750, † 1755 als württemb. Geheimerrath; Heinr. Gottfr. Groß, russischer Gesandter in Dresden und Berlin, † 1763; Ludw. Timoth. Spittler, Freiherr 1806, † 1810 als württemb. Staatsminister; Karl Friedrich Reinhard ausgezeichneter Diplomat, französischer Gesandter an mehreren Höfen, franz. Graf, Pair, † 1837, Karl Heinr. Gros, Prof. der Rechte in Erlangen, † 1840 als württemb. Geheimerrath.
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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_282.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)