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derselben doch durch manche Mißgriffe in den Berufungen beeinträchtigt. Als man im Jahr 1817 überhaupt wieder auf verfassungsmäßige Wege einlenkte, wurde der Universität auch ein großer Theil ihrer alten Privilegien zurückgegeben, namentlich die freie Wahl des Rektors und dessen Rechte und Befugnisse wiederhergestellt. Das Recht, erledigte Lehrstellen selbständig neu zu besetzen, wurde jedoch auf ein Vorschlags- und Begutachtungsrecht beschränkt. Das neue Universitätsstatut behielt seine Gültigkeit, auch nachdem der Verfassungsentwurf von 1817 von den Ständen zurückgewiesen war, und die Verfassung vom Jahr 1819 änderte nur die ständische Vertretung der Universität, indem sie die drei gewählten Vertreter aus dem Gelehrtenstande, welche der Entwurf von 1817 gewährt hatte, wieder fallen ließ und den Kanzler als alleinigen Vertreter bestimmte. Die berüchtigten Bundestagsbeschlüsse vom Jahr 1819, welche die Universitäten unter eine politisch-polizeiliche Bevormundung stellten, kamen auch in Tübingen zur Geltung, und Autenrieth, der eben damals zum Vizekanzler ernannt worden war, wurde als außerordentlicher Regierungsbevollmächtigter mit Handhabung derselben beauftragt. Das in jenen Bundestagsgesetzen enthaltene Verbot der Burschenschaft wurde auch in Tübingen vollzogen, aber so milde gehandhabt, daß man zum Ersatz der Burschenschaft die Bildung eines sogenannten Burschenvereins gestattete, der die socialen Zwecke der Burschenschaft beibehalten durfte und nur auf die politische Seite verzichten mußte. Aber auch diese erhielt sich und wurde von einem Theil des Burschenvereins als geheime Verbindung fortgesetzt, und es wurden in Folge davon mehrere Mitglieder der Tübinger Studentenschaft in die Untersuchung gegen geheime demagogische Verbindungen verwickelt und 1824 zu Festungsstrafen verurtheilt. Der Burschenverein blieb zunächst noch bestehen, wurde aber durch Ministerialerlaß vom 24. Nov. 1825 in Folge von Zwistigkeiten mit dem Corps Suevia auch aufgelöst und die ganze bisherige akademische und städtische Polizeiverwaltung einem außerordentlichen Regierungskommissär, dem Oberjustizrath Hofacker übertragen, der zu diesem Behuf mit ausgedehnten Vollmachten versehen war. Man glaubte nämlich, die akademische Disciplin überhaupt strenger handhaben zu müssen, um politische Bestrebungen abzuschneiden. Alle diese Vorgänge gaben zu dem Versuch einer neuen Umgestaltung der Universitätsverfassung den Anstoß; auch tauchte jetzt der Gedanke an eine Verlegung der Universität in die Residenzstadt Stuttgart auf, der in verschiedenen Flugschriften für und wider besprochen, aber nach einigen Jahren wieder beseitigt wurde. Nach längeren Verhandlungen zwischen

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_293.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)