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dem Unterrichtsministerium und dem akademischen Senat wurde am 18. Januar 1829 eine neue Universitätsverfassung als Gesetz verkündet, die den akademischen Senat nach dem Muster anderer Regierungskollegien unter einen permanenten Vorstand, den Kanzler und Vicekanzler stellte, die beide auf drei Jahre vom König ernannt werden sollten, und das bisherige Rektoramt aufhob. Die Universitätspolizei wurde dem Senat abgenommen und dem jeweiligen Stadtdirektor übertragen. Die neue Universitätsverfassung, die von dem größeren Theil der Universitätsangehörigen mit Widerwillen aufgenommen wurde, hatte keinen langen Bestand und wurde nach einigen Jahren wieder aufgehoben. Der nächste Anstoß dazu kam von auswärts. Friedrich Thiersch in München hatte in einer gedruckten Rektoratsrede vom 26. Nov. 1829 die Tübinger Universitätsorganisation scharf gerügt und von Tübingen als einem Sitz der Musen gesprochen, der eines besseren Schicksals so würdig, aber nun in nächtliche Trauer versenkt sei. Es entspann sich darauf ein literarischer Streit in Zeitschriften und Flugschriften, wobei die Stimme der Gegner des neuen Statuts siegte. Auch die Ständeversammlung zog die Sache vor ihr Forum und sprach mit 45 gegen 32 Stimmen der Regierung das Recht ab, ohne ständische Verabschiedung eine neue Universitätsorganisation einzuführen. Zugleich beantragte sie verschiedene Änderungen des Universitätsstatuts, namentlich die Aufhebung des permanenten Vorstandes und die Wiedereinsetzung eines gewählten Rektors. Die Regierung ging auf die Anträge der Kammer ein, eine königliche Verordnung vom 18. April 1831 genehmigte ihre Vorschläge, und die Vorstandschaft wurde einem Rektor übertragen, der aus drei Wahlvorschlägen des akademischen Senats vom König je auf ein Jahr ernannt werden sollte.

Einige Monate vor der Wiederherstellung der Universitätsverfassung hatte Tübingen auch seine Revolution gehabt. Aus der allgemeinen Zustimmung, lokaler Unzufriedenheit und einem Konflikt betrunkener Weingärtner mit den Landjägern, welche seit der Aufhebung der akademischen Polizei die Ordnung in Tübingen handhabten, war am 22. Jan. 1831 ein Tumult entstanden, dessen Bedeutung durch drohende Gerüchte vergrößert wurde und viele Tübinger Einwohner, sowie die Behörden in Schrecken versetzte. Die Studenten, besonders die verfolgte Burschenschaft, ergriffen gerne die Gelegenheit, sich als Wiederhersteller und Hüter der öffentlichen Ordnung geltend zu machen; mit Erlaubniß der Behörden bewaffneten sie sich, organisirten sich militärisch und genossen 8 Tage lang das Vergnügen des Waffenspiels

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 294. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_294.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)