Seite:OATuebingen 331.png

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schönkapitellirten gothischen Halb- und Ecksäulen an die südlichen Pfeiler der Vierung angesetzt wurden, ist nicht mehr zu ermitteln; vielleicht trugen sie eine ältere Empore.

Aus der spätesten gothischen Zeit stammt der große Umbau der Kirche; damals wurden die drei Schiffe des Langhauses mit gurtenlosen, im Hochschiff flachen, in den Seitenschiffen steilen Kreuzgewölben überspannt, jene großen Fenster in die Chor- und Querschiff-Wände eingebrochen, die ganze Süd- und Westseite der Kirche mit schlichten Strebepfeilern und großen, unschön gefüllten Spitzgbogenfenstern aufgeführt, sodann an die Ostseite des Chores eine niedrige polygone Kapelle ausgebaut, welche das Prachtfenster verkürzt; das Netzgewölbe dieser Kapelle ward später herausgeschlagen.

Das ganze Innere der Kirche ist jetzt leider mit weißer Tünche bedeckt; alte Malereien schimmern noch hindurch; an den Gewölbekappen des Chores und des Querschiffes erkennt man noch, ganz ähnlich wie im Kapitelsaale, Flammen, aus denen natürliche Pflanzen hervorranken.

An der Nordseite des Chors wurde vor einigen Jahren eine große halbzerstörte Freske aufgedeckt: Maria schützt mit aufgehobenem Mantel eine Menge neben ihr knieender kleiner Mönche und Nonnen gegen tödtliche Pestpfeile; links sind noch Kopf und der aufgehobene Arm eines nicht ganz lebensgroßen nackten Heiligen erhalten. Das Bild stammt aus früher gothischer Zeit; darunter ist eine noch ältere Malerei. Auch sonst finden sich Spuren von Fresken.

An der Ostwand des rechten Querschiffes steht über dem Seitenaltar ein tüchtiges Tafelbild, die Kreuzabnahme Christi durch den heil. Bernhard von Clairvaux, daneben kniet ein Abt in schwarzer Kleidung mit einem Hündchen. Das Bild stammt aus dem Ende des 15. Jahrhunderts. Auf dem Altare des Mittelschiffes steht ein lebensgroßes hölzernes Kruzifix. Die große reich figurirte Kanzel besteht aus Stein und Stuck und ist im plumpsten Renaissancestil gehalten. Sie wird getragen von einem kolossalen Ritter, angeblich dem Bilde des Stifters, Pfalzgraf Rudolph I. und stammt aus der Zeit des ersten evangelischen Abts Eberhard Bidembach (1560–1597). Die kleine Orgel steht im Chore. Eine alte Empore hat die Kirche im südlichen Arm des Querschiffes; ihre Brüstung ist mit biblischen Geschichten bemalt und auf ihr steht ein merkwürdiges hölzernes Krucifix aus gothischer Zeit. Eine zweite neuere Empore befindet sich zwischen zwei Pfeilern des südlichen Nebenschiffes mit gleichfalls bemalter Brüstung (Bildern mit Sinnsprüchen). Auf dem Boden sind viele, zum Theil unleserliche

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_331.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)