Seite:OATuebingen 337.png

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Dem ganzen Klosterbau ist außer dem Sommerrefektorium, das durch zwei Stockwerke geht, ein zweites Stockwerk aufgesetzt. Über den drei romanischen Hallen befindet sich das Dorment, das in seiner jetzigen Einrichtung aus dem Schluß der katholischen Zeit stammt. Hier zieht sich zwischen 28 Zellen (die im Durchschnitt 81/2 Fuß Breite auf 10 Fuß Tiefe und jede ein Fenster haben) ein erhöhter Mittelgang hin, flachgedeckt und mit in halber Höhe quer hindurchgehenden Bundbalken. Die Decke, sowie die Wände bis zu den freien Balken herab und diese selbst sind mit zierlich geschnitztem gothischem Holzwerk vertäfelt, das herrliches Blumen- und Maßwerk zeigt; dasselbe ist theilweise noch bemalt und steht auf blauem oder rothem Grunde. An den jetzt weißgetünchten Wandflächen unterhalb des Getäfels sind noch Spuren von alter Malerei (Pflanzengeranke) und Inschriften zu sehen; auf dem Fußboden erhielten sich verschiedene, sehr schöne Fliese. In der Mitte der westlichen Wand des Getäfels sind die Wappen von Tübingen, Bebenhausen und Fridingen groß aufgemalt und dabei die Jahreszahl 1511. Außen steht an der Ostseite des Dorments über einem der geradegestürzten Fenster 1513, dazwischen das Wappen von Cisterz, und über einem Fenster an der Südseite des Verbindungsganges steht 1515, dazwischen das Wappen von Bebenhausen.

Gerade über der Kapelle des Kapitelsaales liegt das frühere Bibliothekzimmer, das eine blau bemalte, mit Sternen besetzte und durch einige Schlußrosetten verzierte ebene Holzdecke hat und auch an den Wänden noch Spuren von Bemalung zeigt; außen steht über dem östlichen Fenster des Gemaches 1516, dazwischen das Tübinger Wappen.

Der Kreuzgang ist in seinen vier Flügeln noch gut erhalten und wurde in den letzten Jahren wieder vollkommen hergestellt. An den Wänden oder Schlußsteinen finden sich folgende Inschriften: auf der Westseite: Wernher v. Tübingen . . . zwischen 1460–71; Südseite: Bernhard von Magstatt 1473 und Johann von Fridingen 1496; Ostseite: B. M. mit Abtsstab 1481.

Seine Formen zeigen sämtlich die späteste Ausbildung des gothischen Stiles; nur die dem Kapitelsaal gegenüberliegende Umfassungsmauer stammt mit ihren angelegten Rundsäulen bis zur Höhe der Fensterbrüstung aus frühgothischer Zeit, ebenso ein kleiner Theil an der Nordwestecke, dem Parlatorium gegenüber, und muß noch der spärliche Rest des ambitus monachorum sein, den Friedrich († 1305) errichtete. Trotz der oft mageren und schlaffen Bildung der einzelnen Formen machen diese Hallen durch ihre schönen Verhältnisse und ihre reichen, lebhaft bewegten Netz- und Sterngewölbe, von deren vielen

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_337.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)