Seite:OATuebingen 419.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

auch früher aufgenommen werden. Die Kleidung der Geistlichen war die ordentliche derartiger Stifter, die der Laienbrüder bestund in einem Oberrock (bis an die Schuhe), Mantel, Kappe und Hosen, alles blau; auf der linken Brust war der Mantel mit dem Schlüssel St. Peters (des Patrons Graf Eberhards) und der päpstlichen Krone bestickt. Den Probst (der erste war Gabriel Biel, † allhier 1495, der letzte Konrad Brunus, † 1552 und in Bebenhausen beerdigt) sollten die Geistlichen mit 2 Laien, den Meister die Laien mit 2 Geistlichen wählen. Mit beiden stund an der Spitze der Verwaltung ein aus Geistlichen und Laien gewählter Rath. Den Geistlichen wurde geboten, sich nicht in weltliche Geschäfte zu mischen, sondern sich mit dem Gottesdienst, mit Studiren und Schreiben zu beschäftigen, den Bürgerlichen aber mit Drechseln, Schnitzeln, Netzemachen, Buchbinderei u. s. w. Alle sollten sich des Müssiggangs enthalten. Den Adeligen wurde ein Jagdbezirk im Schönbuch angewiesen. Gegen den Andrang der Gäste bestanden besondere Verordnungen; im Hause durfte kein Fremder übernachten. Der Graf wies dem Stift einen beträchtlichen Bezirk im Schönbuch an zu Güteranlagen, einen andern zu Bau-, Brenn- und Werkholz; der Abt Bernhard von Bebenhausen überließ ihm hiezu am 20. Jan. 1492 auch einen bestimmten Raum. In seinem Testament vermachte Eberhard dem Stift alle seine goldenen und silbernen Gewänder und erwählte es zu seinem Begräbniß.

Nach des Stifters Tod gerieth aber die Anstalt bald in Zerfall, zum Theil wegen innerer Uneinigkeit der Brüder. Der nachfolgende Herzog Eberhard II. meinte, das Geld könnte zu Errichtung eines andern oder zu Verbesserung eines schon bestehenden Kollegialstifts oder auch zu Bildung geschickter Stiftsgeistlicher verwendet werden. Auf dem Tübinger Landtage von 1514 aber wurde das Stift von dem Verdammungsurtheil, welches damals die andern Stifter traf, ausdrücklich ausgenommen (Reyscher Samml. 2, 49). Der Bauernkrieg von 1525 brachte ihm großen Schaden, und als 1534 Herzog Ulrich sein Land wieder gewann, war es in gar schlechtem Zustande und ging nun vollends ganz ein. (Zum Ganzen vergl. Stälin. Wirt. Gesch. 3, 740.)

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 419. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_419.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)