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in der andern Schale liegt seine Sündenlast und der Teufel hat sich noch unten an die Schale gehängt. An der Nordwand des Chores steht ein schön geschnitzter gothischer Betstuhl, und auf der Empore daselbst die in gutem Zopfstil gefaßte Orgel. Die Thüre der nördlich angebauten Sakristei, die auch netzgewölbt und bemalt, aber übertüncht ist, hat schönes Eisenbeschläg; es befinden sich hier zwei merkwürdige alte Taufbecken, das eine mit einem Römerkopf und der Umschrift: Marcus Tullius Cicero Cons., das andere mit dem Ritter St. Georg und der Umschrift: Johannes Hipp Schultheß v. Kusterdingen hatt 1647 daß Beckett in die Kirche gestifft von wegen seines Kindes.

Der große einfache Thurm hat ein hohes, achteckiges, weit überkragendes Zeltdach; von seinen 3 Glocken ist eine mit der Umschrift: goss mich Christian Ginther zu Custerding 1724 sehr groß; die mittlere ist alt und zeigt die Namen der vier Evangelisten in gothischen Minuskeln; die dritte hat Kurtz in Reutlingen 1849 gegossen.

Die Kirche zu Kusterdingen ist ein seltenes Beispiel einer fast ganz erhaltenen größeren gothischen Dorfkirche und verdient schon deßhalb, dann aber insbesondere wegen der trefflichen Decken des Schiffes und Chores den aufmerksamen Besuch jedes Alterthumsfreundes.

Die Baulast der Kirche liegt gegenwärtig im Streit.

Der südöstlich vom Ort gelegene Begräbnißplatz wurde vor etwa 60 Jahren angelegt.

Das Pfarrhaus, woran der sehr große Pfarrgarten stößt, ist schon gegen 300 Jahre alt, und vom Spital Tübingen zu unterhalten.

Das Rathhaus wurde 1780, das Schulhaus 1838 erbaut; letzteres enthält 3 Lehrzimmer und die Wohnung des Schulmeisters; an der Schule unterrichten 2, zuweilen 3 Lehrer.

Gutes Trinkwasser liefern hinreichend 6 laufende und 10 Pumpbrunnen; auch außerhalb des Ortes sind viele gute Quellen, darunter die beim Armenhaus entspringende Ramsbachquelle. Über die Markung fließt außerdem der Ramsbach und der Neckar, dessen Austreten zu rechter Zeit für die Wiesen sehr günstig ist. Eine Wette liegt östlich am Ort.

Die Vicinalstraße von Wankheim nach Kirchentellinsfurth geht hier durch; über den Ramsbach führen ein steinerner und ein hölzerner Steg, deren Unterhaltung der Gemeinde obliegt. Die Entfernung bis zur nächsten Eisenbahnstation Kirchentellinsfurth beträgt 1/2 Stunde.

Die Einwohner, mit Ausnahme einzelner Kretinen, ein schöner

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 421. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_421.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)