Seite:OAVaihingen0085.jpg

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der Mauer eine schön construirte Wendeltreppe in die obersten, mit Schußscharten und oblongen Lichtöffnungen versehenen Räume des Thurms, von denen man eine schöne Aussicht über die Stadt und die nächste Umgegend genießt. An der südwestlichen Ecke der Stadtmauer steht der monströse, nicht hohe Pulverthurm; derselbe ist rund und massiv mit 10′ dicken Mauern erbaut. Die frühere Bestimmung des seit 1819 als Criminalgefängniß eingerichteten Thurms geht aus seinem Namen hervor. Die Stadt hatte drei Thore, von denen nur das Auricher Thor noch vorhanden ist; dasselbe hat einen spitzbogigen Durchgang, an dessen nördlicher Innenseite anno 1421 steht. Das zu Ende des vorigen Jahrhunderts abgebrochene Enzweihinger Thor, über dem sich ein großer Thurm erhob, war ursprünglich ein Doppelthor und stand an der südöstlichen Seite der alten Stadt an der Straße nach Enzweihingen. Das Illinger Thor, welches anfänglich an dem Cameralamtsgebäude stand, war schon früher an das äußerste, nordwestliche Ende der Stadt versetzt worden, wo sich noch die Thorposten befinden. Die älteren Wohnhäuser der Stadt sind meist mit steinernen Unterstöcken versehen, während ihr übriger Theil einen zuweilen mit Schnitzwerk verzierten Holzbau zeigt. Die früher innerhalb der festen Umfriedigung gebauten Häuser sind beinahe durchgängig mit der schmalen Giebelseite gegen die Straßen gestellt und meist dicht neben einander gebaut. Nach dem Brandunglück von 1617 erwarb sich der bekannte Baumeister Heinrich Schickard um den Wiederaufbau Verdienste. Von Gebäuden für öffentliche Zwecke sind zu nennen: 1

Die im nordöstlichen Theile der Stadt erhöht gelegene, ansehnliche Pfarrkirche; dieselbe wurde im Jahr 1513 im germanischen Styl dreischiffig erbaut, brannte aber im Jahr 1618 zum Theil ab und verlor bei diesem Unglück das Chor, welches bis jetzt nicht wieder aufgebaut wurde[1]. Das Langhaus der Kirche schließt daher unschön an der östlichen Giebelseite platt ab und zeigt nur noch den nun zugemauerten spitzen Triumphbogen, und unbedeutende von der östlichen Wand etwas hervorstehende Überreste der beiden Chorwände. Die mit Strebepfeilern versehene Kirche hat spitze, in den Bogentheilen germanisch gefüllte Fenster, welche übrigens an dem nördlichen Seitenschiff dadurch entstellt wurden, daß man die Fensterfüllungen durch hölzerne Verzierungen zu ersetzen


  1. Eine Beschreibung der Kirche und ihrer Denkmäler, unter welch’ letzteren z. B. die Grabinschrift des am 21. Sept. 1300 gestorbenen Grafen Heinrich von Vaihingen, hiesigen Kirchrectors, sich befunden hatte, vor dem Brande gibt Joh. Val. Andreä in seinen Memorialia, S. 21. 250–257.
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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Vaihingen. Eduard Hallberger, Stuttgart 1856, Seite 085. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAVaihingen0085.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)