Seite:OAWaiblingen0208.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und der Landwirthschaft. Im Allgemeinen wird wahrgenommen, daß die Wohlhabenheit abnimmt. Zwar ist noch ein tüchtiger vermöglicher Mittelstand hier, aber die Zahl Derer, namentlich aus der Klasse der Handwerker, welche öffentlicher Unterstützung bedürfen, nimmt von Jahr zu Jahr zu, und es wird namentlich in den die Gewerbsindustrie so sehr belebenden Wochenmärkten die Ursache des Vermögenszerfalls vieler Einwohner gefunden, da der Handwerksmann es für seine heilige Pflicht hält, jedesmal an solchen Tagen von Nachmittags 2 Uhr an das Wirthshaus zu besuchen und von einer Schenke zur andern zu gehen, und die Genußsucht überhaupt sehr im Schwunge ist. Übrigens werden wenige Familien hier seyn, welche nicht in gewöhnlichen Jahren Sonntags ihr Fleisch auf ihrem Tische sehen, und auch der hiesige Weingärtner hat vor vielen seiner Standesgenossen das voraus, daß er, wenn es irgend etwas Wein gibt, immer einen Trunk in den Keller bekommt, da es hier und in der Umgegend allgemeine Sitte ist, nur den Vorlaß zu verkaufen. Bemerkenswerth ist die Eifersucht zwischen Waiblingen und Winnenden, welchen man schon vor der Aufhebung des Oberamtes Winnenden wahrgenommen haben will.

Die Markung begreift 1067/8 Morgen Gärten und Länder, 16635/8 Morgen Äcker, wovon 3732/8 willkürlich gebaut werden, 6261/8 Morgen Wiesen, von denen nur 32/8 einmähdig sind, und 3251/8 Morgen Weinberg. Es kommen also im Durchschnitt etwas mehr als 4 Morgen Baufeldes auf eine Familie. Die Äcker sind fruchtbar und alle Arten von in Württemberg gepflanzten Gewächsen gedeihen auch hier ganz gut. Eigentliche Bauern finden sich nur wenige, dagegen eine ziemliche Anzahl Weingärtner, die neben ihren Weinbergen noch so viel Ackerfeld und Wiesen besitzen, daß sie eine oder zwei Kühe ernähren können, mit denen sie dann auch ihre Äcker, soweit sie dieselben nicht mit Handarbeit bestellen, bearbeiten. Überdieß gibt es wenige Handwerker, welche nicht auch ihr Stückchen Acker in jedem Felde haben; viele derselben besitzen so viel, daß sie in gewöhnlichen Jahren keine Frucht und kein Brod kaufen dürfen. Unter diesen Umständen ist es einleuchtend, daß nur wenige Grundeigenthümer sich finden, die mehr Güter besitzen, als sie zu ihrem eigenen Unterhalte bedürfen und auch erklärlich, daß hauptsächlich nur Roggen, besonders aber Dinkel und Weizen gebaut, und wohl kein Getreide nach Außen verkauft wird. Des Weinbaues, der hier und in Bürg sehr alt seyn soll, und des Erzeugnisses ist im allgem. Theil S. 54 gedacht. Helgenberg und Stöckach sind die besten Halden. Des Hopfenbaues ist S. 52 erwähnt. Durchschnittlich wird der Morgen Acker oder Wiese um 600 fl., Weinberg um 500 fl. verkauft.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Waiblingen. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1850, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAWaiblingen0208.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)