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mitbelagerten Frauen, was ihre Schultern tragen könnten, wegzunehmen. Diese, die Rettung der Männer als das Höchste erkennend, trugen auf ihren Rücken ihre Gatten davon. Herzog Friedrich II. wollte zwar hiegegen Einsprache thun, allein der König, gut gelaunt über dieser List, sprach: an einem Königswort darf nicht gerüttelt werden. – Eine einheimische Aufzeichnung, das Privilegienbuch von 1468, braucht den Ausdruck, daß damals „die Weibertreue fürgeloffen sei“. Im Anfang des 17. Jahrhunderts dichtete ein Weinsberger, welcher sich Petrus Nichthonius – ohne Zweifel übersetzt – nannte, ein Schauspiel: Weinsbergische Belägerung vor etlich hundert Jahrn von ehlicher Weiber Trew, allen Eheleuten, wie auch Jungen Gesellen vnd Jungfrawen, alls zu einem schönen Exempel (Comödieweiß zu agirn) nützlich zu lesen, in Druck gegeben (Nürnberg, Fuhrmann. 1614. 68 Bl. 8°. Mit 378 Personen); derselbe läßt den Herzog Welf selbst, welcher doch nach den gleichzeitigen Quellen sich gar nicht in der Veste selbst befand, durch seine Gemahlin auf den Schultern getragen werden. Letztere Darstellung gibt auch ein Gemälde von 1650, welches im Chor der Kirche hängt (Dillenius 15) und dessen Maler ein verschollenes älteres Bild vor sich hatte. – Es ist dies ein Geschichtchen von treuen Weibern, dergleichen sich in Deutschland bei ein Paar Dutzend Burgen in verschiedenen Abspieglungen wiederholen.[1] In Weinsberg selbst knüpft sich, freilich mehr an der Hand der Gelehrsamkeit, als einer ununterbrochenen Überlieferung im Volksmunde, an die Burg der Name Weibertreue.

Welche Bedeutung die Hohenstaufen dem Besitz beilegten, ist aus dem Umstand ersichtlich, daß der jüngere Sohn des genannten Königs Konrad, Herzog Fridrich, welcher sich meist von Rotenburg (an der Tauber) nannte, gleichwohl nebenbei auch Herzog von Weinsberg hieß (Stellen bei Stälin Wirt. Gesch. 2, 101). Der ältere Sohn K. Heinrich wählte einsmals auf den 1. Sept. 1148 als Ort zu einer Besprechung mit dem staatsklugen Abt Wibald von Corvei eben unser Weinsberg (eb. 2, 83).


  1. Beispiele bei Dillenius 17, dazu noch Solms bei Wetzlar (s. Antiquarius des Neckar-, Main-, Lahn- und Moselstroms 479). Höfken Vlämisch Belgien 2, 155 meldet allein aus den Niederlanden zwanzig dergleichen Sagen. Obige Annales Colonienses maximi haben zum Jahr 1159 eine ähnliche Erzählung von einem Weib in Crema. Über das, zumal auch bei Dichtern öfters vorkommende Tragen des Geliebten überhaupt s. das Lai des deux amants in Marie de France Poésies 1, 264 ed. de Roquefort und Ideler in der Einleitung zu Einhard Leben Karls des Gr. 1, 20.
Empfohlene Zitierweise:
F. L. I. Dillenius: Beschreibung des Oberamts Weinsberg. Karl Aue, Stuttgart 1861, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAWeinsberg_106.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)