Seite:OberamtCalw 049.jpg

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gewöhnlichen, die Milch. Bei Taufen besteht das Mahl aus Sauerkraut mit Schweinefleisch, ihm folgt eine Reissuppe mit Ochsenfleisch, alsdann Fastnachtsküchlein und endlich Kaffee. 1

Eigenthümliche Sitten und Volksbelustigungen werden, wie aller Orten, allmälig seltener, nur weichen sie, besonders in den eigentlichen Waldgegenden, etwas langsamer. Der früher häufig übliche Tanz beschränkt sich in neuerer Zeit nur noch auf Kirchweihen, Märkte und Hochzeiten, welch’ letztere auf dem sogen. oberen Wald immer noch auf eine solenne Weise abgehalten werden; sie sind sogen. Zechhochzeiten, die öfters 2–3 Tage andauern. Zur Hochzeitfeier ladet ein sogen. Hochzeitlader die Gäste in der ganzen Umgegend ein, die alsdann ihre Gaben mitbringend, zahlreich erscheinen. Ist die Braut vom Orte, so ißt man in ihrem elterlichen Hause die sogen. Morgensuppe, bestehend aus Fastnachküchlein, die man öfters in Wannen aufstellt, nebst Kaffee, Wein, Schnaps etc. Den Tag vorher bringen die Weiber (Bäuerinnen) des Orts Butter, Schmalz, Mehl, Milch etc. zum Geschenk. Ist die Braut von einem fremden Orte, so wird sie zwei- oder vierspännig abgeholt, während sie ihr Hausgeräthe ein oder zwei Tage vor der Hochzeit hergebracht und dann ein stattliches Hochzeitbett aufgerichtet hat. Am Hochzeittage wird die Braut, nachdem zuvor in ihrem elterlichen Hause die Morgensuppe abgehalten war, von den jungen Leuten des Orts und Gespielinnen in’s Haus des Bräutigams begleitet. Bei dem Zug in die Kirche gehen die ledigen Bursche voran, ihnen folgen die ledigen Mädchen, dann die Braut, geführt von dem Brautführer nebst zwei Gespielen, ihr folgen der Bräutigam mit einem oder zwei Gesellen (der erste Gesell und der Nebengesell), hierauf die Brautväter und sofort. An der Spitze gehen nicht selten die Musikanten, welche aufspielend den Zug in und aus der Kirche begleiten. Nach der Trauung gehts in’s Wirthshaus, vor welchem der Schulmeister einen Hochzeitwunsch zu halten hat, hernach wird das Brauttüchlein herausgetanzt, weßhalb alle Bursche auf das „Amen“ warten und sich dann auf die Braut stürzen, um das Brauttüchlein und die Braut zum Brauttanz zu erhaschen. Während des Hochzeitmahls geht das Brautpaar jedes mit einer Bouteille Wein, die mit rothem Bande geziert ist, bei den Gästen umher und reicht jedem Gast das gefüllte Glas mit den Worten: „i will’s ech bringe“ (ich wills Euch bringen, d. i. zutrinken), wobei, da darauf sehr gesehen wird, Niemand übergangen werden darf. Die Braut und die Brautjungfern sind geschappelt, das heißt sie tragen Kronen von Goldflindern (Goldflitter) mit Krollen

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Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Calw. Karl Aue, Stuttgart 1860, Seite 049. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtCalw_049.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)