Seite:OberamtCalw 050.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

(Korallen) von Glas etc. und müssen diese Schappeln den ganzen ersten Hochzeitstag aufbehalten. Bei Taufen holt die Gevatterin das Kind mit dem Gevattermann im elterlichen Hause ab, wo zuvor etwas getrunken und gegessen wird. Ehe die Gevatterin mit dem Kinde aus dem Hause geht, sagt sie der Wöchnerin einige Glückwünsche und den Dank für die Ehre, daß man sie und ihren Mann zu Gevatter gebeten habe, dann geht’s zur Kirche; nach der Taufe in das Wirthshaus, wo der Gevatter frei hält, und dann in das Haus der Wöchnerin, wo von dem Hausvater ein Essen gegeben wird.

In den Orten Gechingen und Deckenpfronn besteht noch die nette Sitte, daß am Tage nach der Hochzeit, bei Unbemittelten am Tage selbst die „Morgengabe gekröppelt“ wird; d. h. beinahe von jeder Familie des Orts bringt das Weib oder das Mädchen ein Schüssele voll Mehl, Linsen, Erbsen und Lebensmittel aller Art als Morgengabe in’s Brauthaus, so daß die Neuvermählten öfters ein ganzes Jahr davon zu leben haben. Daselbst ist ein Geiger und die Kameraden des Bräutigams tanzen dann mit den Mädchen, während das Mitgebrachte ausgeleert wird. Most oder Bier wird von dem Bräutigam gereicht; in der Kammer prangt ein Tannenbaum, behängt mit Kinderkleidungsstücken aller Art, welche der Braut von den Gespielinnen geschenkt wurden; man nennt diese Sitte „an den Maien stecken.“ Am Neujahrsfest werden in allen Häusern Kuchen (Gspikling) und große Brezeln (2 bis 4 Pfund schwer) gebacken; damit sowie mit einem Lebkuchen, Äpfeln, Nüssen etc. werden die Pathenkinder (Dötlein) statt am Christtag beschenkt. In der Neujahrsnacht wird heftig geschossen und der Bursche (Kerle) erhält dann von seinem Mädchen (Mensch) für das Pulver ein pfündiges Herz, d. h. einen Leb- oder Honigkuchen in Form eines Herzens (öfters 1 Pfund schwer). An der Fastnacht werden im Auftrag der ledigen Bursche von den Bäckern Laugenbrezeln an die Kunkeln der Mädchen gehängt und Kuchen gebacken, welch’ letzteres auch an Ostern, an der Confirmation, an Pfingsten, im Heuet, nach der Ernte (Sichelhänget), wenn es ausgedroschen ist (Pflegelhänget), an der Kirchweih, am Christfest etc. geschieht. Noch ist zu bemerken, daß in Gechingen etc. gefallene Mädchen den Lichtkarz nicht mehr besuchen, wie auch mit den Ledigen nicht mehr zum Abendmahl gehen.

Die Kirchweihen werden immer noch in ungebundener Fröhlichkeit mit Musik und Tanz gefeiert. Bei Leichenbegängnissen singt die Schuljugend vor dem Hause des Verstorbenen sowie während des Gangs zum Gottesacker und der Einsenkung des Sargs, geistliche Lieder unter Anführung des Schulmeisters, der nicht selten, besonders

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Calw. Karl Aue, Stuttgart 1860, Seite 050. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtCalw_050.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)