Seite:OberamtCalw 055.jpg

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kommen sie nur in untergeordneten Betracht. Wollte man sich von den Angaben der Leichenschauregister leiten lassen, so wären die Gichter bei weitem die häufigste Todesursache, indem in den letzten 6 Jahren (1852/58), über welche in’s Einzelne gehende Zusammenstellungen der Todesarten vorliegen, 19,8 Prozent oder nahezu ein Fünftel sämmtlicher Gestorbenen als von Gichtern hinweggerafft aufgeführt sind; allein unter diesem Namen werden, besonders auf dem Lande, die verschiedenartigsten Krankheiten der kleinen Kinder zusammengefaßt, namentlich Hirnentzündung, Meningitis, Apoplexie, Trismus, Bronchitis, Pneumonie, gastrisches Fieber, und deßhalb ist die Zahl der an Gichtern Verstorbenen als eine incommensurable Größe zu betrachten. Der Zeitraum von 6 Jahren ist freilich etwas zu beschränkt, um ein ganz richtiges Bild von den herrschenden Krankheitsverhältnissen zu geben, doch gibt er immerhin ein annäherndes, besonders wenn man berichtigend in’s Auge faßt, daß in diesem Zeitraum einige bedeutende Epidemieen von Ruhr und Scharlachfieber gefallen sind, welche das normale Sterblichkeitsverhältniß etwas gestört haben.

Die bedeutendste Rolle spielt die Lungenentzündung, unter welchem Namen hier Pneumonie und Pleuritis zusammengefaßt sind, da sie in den Leichenschauregistern nicht genau unterschieden sind. An dieser Krankheit gingen in den letzten 6 Jahren 600 Personen oder 11,5 Procent der Verstorbenen zu Grunde. Sie kommt in allen Monaten des Jahres und in allen Orten des Bezirks vor, doch ist sie bei weitem am häufigsten in den Wintermonaten, und in den Waldorten häufiger als in den Thal- und Gäu-Orten. Am stärksten trat sie auf in den Jahren 1852/53 und 1857/58 mit je 121 Todesfällen, am gelindesten 1853/54 mit 76 Todesfällen.

Die Ruhr raffte im letzten Sexennium 519 Personen oder beinahe ein Zehntel (9,8 Procent) der Gestorbenen weg, und zwar die meisten (177) im Jahr 1852/53 und (160) im Jahr 1854/55, die wenigsten (13) im Jahr 1855/56. Sporadisch zeigt sie sich beinahe jedes Jahr in den späteren Sommermonaten und im Herbst; zeitenweise aber bildet sie sich zu mehr oder minder ausgedehnten Epidemien aus. Solche Epidemieen kamen vor: zu Liebenzell im August und September 1804; im ganzen Oberamtsbezirk im Sommer und Herbst der Jahre 1811 und 1812; zu Teinach im August bis Oktober 1821; im ganzen Bezirk im Sommer und Herbst 1834, und noch bedeutender 1835; in letzterem Jahre brach noch spät, nachdem die Seuche fast überall erloschen war, zu Röthenbach eine Ruhrepidemie aus, welche vom Oktober bis in den Dezember dauerte, so daß der Arzt in den seltenen Fall kam, bei tiefem Schnee von Haus zu Haus

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Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Calw. Karl Aue, Stuttgart 1860, Seite 055. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtCalw_055.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)