Seite:OberamtCalw 262.jpg

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die hölzernen Böden der verschiedenen Stockwerke aufgesetzt waren; erst in einer Höhe von etwa 100′ befindet sich ein einfaches, massives Tonnengewölbe, zugleich beginnt hier eine schön construirte steinerne Wendeltreppe, die innerhalb der Thurmmauer bis zu der noch ziemlich gut erhaltenen Zinne des Thurms führt. An der innern Fläche erscheinen spärlich angebrachte Steinmetzenzeichen (abgebildet bei Hartmann 71). Der hölzerne Einbau des Thurms war längst verschwunden, als im Jahr 1841 von unten herauf bis zur steinernen Wendeltreppe eine hölzerne Treppe errichtet und somit dieses interessante Bauwerk wieder zugänglich gemacht wurde. Auf der Zinne des Thurms, von der man eine reizende Aussicht über die Stadt hinweg in das Nagoldthal genießt, waren 4 gewölbte Nischen mit Lichtöffnungen angebracht, von denen nur noch eine erhalten ist, während die übrigen 3 bei der in neuester Zeit an dem Thurm vorgenommenen Reparatur abgegangen sind. An der Ost- und Westseite des Thurms sind Schlitze, mittelst deren derselbe schwach erleuchtet wird. An der Innenseite der nördlichen Flankenmauer (Mantel) befindet sich 30′ über der Erdfläche ein rundbogiger Eingang, welcher zu einer, in der Mauer aufwärts gehenden Wendeltreppe und zu einem Gang durch die westliche Mauer des Thurms nach dem südlichen Flügel des Mantels führt; der Mantel selbst enthält 2 rundbogige Fenster. Thurm und Mantel bilden ein nach den Regeln der Kunst zusammengefügtes Ganze, dessen Gründung nach dem, an beiden angewendeten romanischen Styl in das 11. Jahrhundert gesetzt werden dürfte[1]. Außer diesen wohl erhaltenen Überresten der Burg Liebenzell sind noch mehrere halb zerstörte Umfangsmauern von Gebäuden vorhanden, die sich an die Ostseite des Mantels anlehnen, deren zum Theil noch erhaltene Fensteröffnungen der Übergangsperiode von dem romanischen in den germanischen Baustyl angehören und sichtlich bekunden, daß diese Gebäude in einer spätern Periode als der Thurm und Mantel erbaut wurden. Sämmtliche Burggebäude, nebst einem Hofraum, werden von 2 hinter einander laufenden, starken Mauern umschlossen. 1

Auf dem sogen. Klosterbuckel (Finkenberg), einem schön gerundeten Bergvorsprung, zunächst (südlich) am Ort, befindet sich ein sehr tiefer, ringförmiger Graben, der einen namhaften Hügel umschließt, auf dessen Kuppe ausgedehnte, feste Gebäudesubstruktionen unter der


  1. Mone in den Schriften des Alterthumsvereins für Baden 1, 336 und Krieg von Hochfelden Gesch. der Militärarchitektur 94. 102. 103. (wo auch ein Grundriß) halten den Thurm für römisch.
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Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Calw. Karl Aue, Stuttgart 1860, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtCalw_262.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)