Seite:OberamtEllwangen 163.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Herz, war freigebig, aber des Sparens unkundig. Die Seinigen liebte er und konnte er ihnen etwas zuschanzen, so war er nicht müßig. Sein Kaplaneihölzchen wurde von den armen Leuten gar arg ausgeholzt. Kamen auch die schönsten Eichen und Tannen über Nacht hinweg, so lachte er dazu. – Auf dem Schauplatz seines Vergehens muß er wandern ob seiner Frevel am Kirchengut. Nahe am Holz fließt ein Bächlein, rein und silberhell und seine Wellen kehren nicht mehr zurück. So lange aber muß das Kaplaneimännlein wandern, bis die Wellen rein und klar wieder zurück fließen. Über dieses Bächlein führt ein Steg und der Fußweg nach Ellwangen. An diesem Stege stellt er sich nun auf. Keiner kann ihm mehr ausweichen oder er zwingt ihn unwillkürlich hinüberzugehen. Kommt nun Eines und hat seine Hände nicht gewaschen, so ruft er ihm ins Ohr: „wasch deine Hände“ und stürzt ihn hinab über den Steg. – Von ihm wird auch erzählt, daß er den Leuten Dienste erweist, wofür man dann aber beim Tisch auch ein Gedeck für ihn herrichten und zu ihm sagen muß: Kaplaneimann iß mit! Unterläßt man das, so wirft er die Gedecke alle unter den Tisch. – Wird gebacken, so muß man dem ersten Bettler einen ganzen Leib Brot geben, sonst verschwindet das übrige Brot und die Küche geräth in Unordnung. Im Walde oberhalb Reichenbach zeigt sich der Kaplaneimann gar oft. (Nach Birl., Aus Schwaben 1, 327 ff.) Er soll auch schon den Holzmachern und Hirtenbuben Feuer angezündet haben; daher auch ein bekannter Ruf:

„Kaplaneimâ, Kaplaneimâ,
Komm’ und zünd mei’ Pfeif â.“

Zöbingen. Jener römische Hauptmann Longinus, welcher dem Herrn am Kreuze die Seite durchstochen, sei in Zöbingen zu Hause gewesen. Dieser habe aus Jerusalem seinen Leuten heimgeschrieben, wie es ihm gehe, und habe als Neuigkeit angefügt, daß kürzlich zu Jerusalem ein merkwürdiger Mann sei gekreuzigt worden, dabei er auch habe sein müssen. Dieser Mann habe viel Wunderbares gethan, alle mögliche Kranke blos mit seinem Worte geheilt und Todte wieder lebendig gemacht; aber mit den vornehmen Juden sei er nicht gut gestanden, die hätten ihn nicht leiden können, auch nicht Ruhe gegeben, bis sie ihn aus der Welt geschafft. Den Brief haben die in Zöbingen richtig erhalten, es haben auch des Longinus Leute Antwort zurückgegeben und gesagt: sie könnten ihm auch etwas zu wissen thun, daß nemlich, seit er von ihnen fort, der große See abgelaufen und das Ries ein Erdboden geworden sei. (Steichele, Bisthum Augsburg III, S. 549.) Über die Auffindung des Todtenbaums etc. s. unten bei der Ortsbeschreibung von Zöbingen.


D. Sitten und Gebräuche [1].

Der größte Theil der Bevölkerung ist katholischer Konfession (von 31.994 Einwohnern sind 3218 evangelisch und 28.552 katholisch, 223 Israeliten und 1 eigener Confession) und ist namentlich die


  1. Von Stadtpfleger Alb. Richter in Ellwangen.
Empfohlene Zitierweise:
Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Ellwangen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1886, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtEllwangen_163.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)